Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Scheidung zu drohen.
»Du verachtest mich, nicht wahr?« Tränen hingen Ellen Diekenhorst in den Wimpern. Tränen, die ihre Schminke verwischten. Hilflose, armselige Tränen.
Helga war ehrlich erschüttert. »Ich verachte dich nicht. Ich verstehe dich nur nicht.«
»Was gibt es da zu verstehen«, antwortete sie. »Du siehst doch, ich habe Angst. Ich habe Angst, meinen Mann mit einer anderen zu erwischen. Ich würde da oben heulen. Ja, so ist es.«
Helga nickte. »Ja, du hast Angst, so wie wir alle Angst haben, Stephi, Laura und ich – und solange wir diese Angst nicht loswerden, wird's nichts mit uns.«
Ellen stand auf, griff nach ihrer Handtasche.
»Du willst also nichts unternehmen?« fragte Helga.
»Doch«, antwortete sie müde. »Du wirst es schon sehen.«
Im gleichen Appartementhaus, nur zwei Stockwerke höher, fragte Edith Lieven mit einem anzüglichen Seitenblick aus ihren geschlitzten Augen: »Stört es dich, Liebling, wenn ich nackt herumlaufe?«
Konsul Rudolf Diekenhorst betrachtete sie mit offensichtlichem Wohlgefallen. »Gar nicht. Du bist zwar ein kleines, süßes Biest, aber du bist wunderschön.«
Edith lachte und warf dabei stolz ihren Kopf in den Nacken. »Hast du schon mal eine schönere Geliebte gehabt, Rudolf?«
»Nein«, gestand er lächelnd ein. Und das stimmte sogar ungefähr. Denn Edith war wirklich ein großartiges Geschöpf. Schlanke Beine, schmale Hüften, die richtigen Brüste dazu, eine weiche, glatte Haut und einen gierigen Mund.
Die Aussprache mit Ellens Psychiater, an die Konsul Diekenhorst jetzt gerade denken mußte, erheiterte ihn geradezu. Nein, Herr Doktor Normann, so was gibt man nicht auf. So ein Mädchen behält man. So ein Mädchen müßten Sie erst mal im Bett haben.
»Edith!« Er räkelte sich etwas auf der Couch. »Als du so von einem Tag auf den anderen von der kleinen Tippse zur Chefsekretärin befördert worden bist – was hast du dir da eigentlich gedacht?«
Sie unterbrach ihre Wanderung durchs Zimmer, beugte sich über ihn, lächelte: »Das war doch einfach zu erraten, Liebling. Ich habe mir gedacht, der Chef will mit dir schlafen, Edithlein.«
Er zog sie ganz zu sich herunter. »Und das fandest du ganz selbstverständlich?«
Sie küßte ihn. Und ihre Pupillen wurden eng, ihr Atem ging ein wenig schneller. »Weißt du«, sagte sie heiser, »ich mag Männer wie dich. Männer, die so aussehen wie du, die so sind wie du.«
»Komm«, flüsterte er. »Du machst mich ganz verrückt.«
»Du sollst verrückt sein nach mir, nur nach mir!«
Danach brachen die Worte ab.
Erst später, als sich der Herr Konsul vor dem Spiegel sorgfältig die Krawatte band und in sein feines dunkelblaues Jackett schlüpfte, da fragte ihn Edith plötzlich: »Warum darf ich eigentlich nicht mehr in deinem Vorzimmer sitzen?«
»Die Belegschaft braucht nicht unnötig zu quatschen«, wich er aus.
»Die Belegschaft!« Sie dehnte das Wort. »Ich weiß nicht; mir scheint, das hat mit deiner Frau etwas zu tun.«
Rudolf Diekenhorst lachte. »Meine Frau ist sehr brav und überhaupt nicht eifersüchtig. Auf diese Weise kommen wir prima miteinander aus.«
Edith blickte ihn forschend an: »Und sie merkt nie, wenn du von einer anderen Frau kommst?«
Er zuckte die Schultern. »Woran sollte sie das merken? Ich bin doch sehr lieb zu ihr, ich verwöhne sie und dich. Siehst du, das ist mein Geheimnis.« Er war so gut gelaunt, daß er sogar einen Schlager vor sich hinträllerte, als er die Tür des Appartements hinter sich zuzog.
Die Zeiger der großen, runden Uhr, die im Krankenhaus am Ende des langen Flurs an der weißen Wand hing, rückten auf halb elf.
›Operationssaal. Eintritt strengstens verboten‹. Ein Schild, das nur dann beleuchtet war, wenn operiert wurde.
Jetzt leuchtete es schon drei Stunden lang. Ein junger Assistenzarzt trat auf Laura zu: »Ich weiß, Frau Riffart, es ist sehr schwer für Sie, aber wir können im Moment nur warten.«
Hinter der Tür, im Licht der grellen Lampen, hatte Dr. Normann längst jedes Gefühl für Zeit verloren. Er sah nur noch Blut. Und er sah Hände, die in ein menschliches Gehirn griffen, die tamponierten, Sauger ansetzten, mit scharfen Löffeln geronnenes Blut herauskratzten, die Knochenränder verspachtelten.
Und er mußte immer wieder denken: Wenn Viktor Riffart wieder aufwacht, wenn er dies alles übersteht – was ist dann? Was wird dann?
In seine Gedanken hinein kam die mahnende Stimme einer Schwester: »Blutdruck sinkt.« Und fast
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