Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
gleichzeitig eine andere Stimme: »Puls zweiundsiebzig. Wird langsamer.«
Dr. Lüth richtete sich mit einem Ruck auf. Ein Wink von ihm genügte: Die Operation wurde unterbrochen. Aus der Transfusionsflasche begann Blut über einen Schlauch in den Arm des Patienten zu tropfen.
Atemlose Stille trat ein.
Alle starrten sie jetzt auf die Kontrollapparate. Der Blutdruck fiel zusehends, der Puls wurde noch langsamer.
Der Tod – stand er bereits im Zimmer?
Totenblässe überzog das Gesicht Viktor Riffarts auf dem Operationstisch. Die Pupillen des Schwerverletzten weiteten sich, wurden groß und starr.
»Puls ist weg.«
»Keine Blutdruckmessung.«
Die Stimmen klangen erregt.
Dr. Normann verfolgte gebannt den Kampf der Ärzte und Schwestern um ein Menschenleben. Er starrte auf den Elektrokardiographen. Eine letzte Kurve, eine letzte Zacke – dann hörte die Registratur auf.
Das Herz Viktor Riffarts schlug nicht mehr.
Wäre ein Pfarrer hier gewesen, so hätte er jetzt das Zeichen des Kreuzes machen können. Und er hätte für die Ewigkeit beten dürfen: »Gott sei seiner Seele gnädig.«
Aber ist ein Mensch tot, wenn sein Herz still steht?
Es gab noch eine Galgenfrist, eine winzige Chance. Oberarzt Dr. Lüth stemmte beide Hände auf die Brust des Patienten. Mit gestreckten Armen, unter Ausnutzung seines ganzen Körpergewichts, führte er nun Stöße von fast brutaler Gewalt aus.
Herzmassage. Der letzte Versuch.
Sekunden verstrichen, Minuten.
Dicke Schweißtropfen standen dem Oberarzt auf der Stirn. Er stieß kräftiger zu, schneller, er spreizte die Finger ab, drückte nur mit dem Handballen.
Er versuchte auf diese Weise, die Herzkammern zusammenzupressen, damit sich das Blut in die Aorta entleeren konnte. Er versuchte es immer wieder, siebzig-, achtzig-, hundertmal und mehr.
Der Narkosearzt setzte unentwegt die künstliche Beatmung fort.
Der Erste Assistent injizierte Adrenalin.
Und dann geschah das Wunder.
Die Schlagfolge des Herzens setzte wieder ein, langsam zuerst, zögernd – und dann normal, im richtigen Rhythmus.
Die Blutzirkulation kam wieder in Gang. Die Kontrollapparate zeigten wieder Zahlenwerte an. In das Gesicht Viktor Riffarts kehrte Farbe zurück.
Ein Todgeweihter lebte wieder.
»Blutdruck achtzig«, meldete die Schwester. Und unüberhörbarer Triumph schwang in ihrer Stimme mit.
Mit einem sparsamen, knappen Lächeln auf den Lippen sagte Lüth zu Normann: »Ich glaube, Ihr Freund hat es geschafft.«
Normann schwieg.
»Sie kennen doch sicher seine Frau?« erkundigte sich Lüth.
»Ja.«
»Ich höre, daß sie seit Stunden draußen wartet. Möchten Sie mit ihr sprechen?«
Normann nickte nur.
Elf Uhr vorbei.
Der Butler klopfte, trat ein. »Wünschen gnädige Frau noch etwas?«
»Nein, Frederik«, sagte Ellen Diekenhorst. »Sie können jetzt schlafen gehen.«
Nur ein paar Buchenscheite brannten im offenen Kamin. Sonst war es dunkel in der Wohnhalle.
»Gute Nacht, gnädige Frau.«
»Gute Nacht, Frederik.«
Die Tür schlug zu, die Schritte des Butlers entfernten sich. Ellen griff mit zitternden Händen nach dem Glas, in das sie sich kaum verdünnten Gin eingeschenkt hatte.
Mein Mann betrügt mich. Wie vielen Ehefrauen wird das eines Tages klar? Wie verhalten sie sich? Was tun sie? Was empfinden sie?
Ellen trank, als könne aus der Flasche Trost kommen. Dabei wurde es nur schlimmer.
So sehr sie sich dagegen wehrte – sie stellte es sich immer wieder vor: das nackte Mädchen. Rudolf, wie er sie anfaßte. Wie er sie liebkoste. Wie er zärtliche Worte flüsterte. Wie er sie nahm …
Ellen spürte gar nicht, wie sich ihre Fingernägel in ihr Fleisch gruben. Sie dachte nur: Warum tut er mir das an? Und wie oft hat er es mir schon angetan?
Ihre Gedanken kreisten sie ein. Hatte er schon immer eine Geliebte, von Anfang an?
Ellen stand auf, riß das Fenster auf, atmete gierig die Nachtluft ein. Mondlicht da draußen, die Schatten der Bäume. Ja, es hat immer schöne Frauen in seiner Nähe gegeben. Sie himmelten ihn an, bewunderten ihn. Und sicher ließen sich die meisten von ihnen gern verführen.
Die rothaarige Schauspielerin fiel Ellen ein. Angeblich fand Rudolf sie so komisch, daß er sie sogar ein paarmal mit nach Hause brachte. War ich blind, daß ich nicht spürte, wie vertraut die beiden miteinander waren?
Oder bin ich das, was man eine kluge Frau nennt? Flammende Röte stieg ihr ins Gesicht. Scham vor sich selbst.
»Du wirst nichts unternehmen«, hat Helga Anderssen vor
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