Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Schulter. »Laura, das hat doch jetzt alles keinen Sinn.«
Ihre Hand berührte ihn. Sie war kalt und fremd. »Richard, du willst nicht, daß er stirbt – bitte, sag es mir!«
Er fühlte, wie er blaß wurde. »Ich wünsche, daß er gesund wird und daß ihr beide glücklich werdet. Genügt dir das?«
»Und du wirst mich vergessen, nicht wahr?« Sie gingen ein paar Schritte nebeneinander.
»Laura, ich hab' dich sehr lieb. Daran kann ich nichts ändern. Ich muß es dir auch jetzt sagen, während Viktor dort drinnen auf dem Operationstisch liegt.« Er blieb stehen, sah sie an. »Ich hätte alles darum gegeben, daß du meine Frau wirst. Ich sehe ein, daß es nicht sein kann.« Und er dachte den Satz zu Ende: Wenn Tote wieder leben, dann muß man wohl aufgeben. Dann kann man nicht an Hochzeit denken.
Ihr Gesicht verschwamm in Tränen. »Richard, sei mir nicht böse. Auch ich hab' dich lieb gehabt. Aber ich gehöre zu meinem Mann. Und ich will wieder gutmachen, was ich angerichtet habe.«
Er wollte noch antworten, aber dazu kam es nicht mehr. Die Flügeltüren des Operationssaales öffneten sich. Vorsichtig schoben die Pfleger einen Wagen heraus.
Laura sah fast nur Verbände: weiße, saubere Türme aus Mull. Ein Kinn, ein Mund, eine Nasenspitze – mehr war von Viktor nicht zu erkennen.
»Viktor!« Einen Augenblick lang glaubte sie, sie müsse umsinken.
Aber schon trat Dr. Lüth mit einem etwas erschöpften Gesichtsausdruck auf sie zu: »Er kann Sie nicht hören, Frau Riffart, er ist noch in tiefer Narkose.« Dann nahm er sie wortlos beim Arm und schob sie ein paar Türen weiter in sein Zimmer.
»Darf ich zu meinem Mann?« fragte Laura den Chirurgen.
Dr. Lüth zerdrückte langsam seine Zigarette im Aschenbecher. Die Frage war ihm nicht sehr angenehm.
Er fand diese junge Frau Riffart äußerst sympathisch. Er sah die Angst in ihrem Gesicht, und er hielt sie keineswegs für eine Schauspielerin.
Andererseits gab es eine Tatsache, die er nicht wegwischen konnte: Die Riffarts lebten in Scheidung. Was sie trennte, was sie noch verband, er konnte es nicht beurteilen.
»Frau Riffart!« Er sah Laura über seinen Schreibtisch hinweg an. »In welchem Zustand Ihr Mann aufwacht, wissen wir nicht. Ich weiß nur eines: Er darf sich auf keinen Fall aufregen!«
Sie tat ihm leid, so wie sie jetzt da saß, elend und verstört. Aber er konnte es ihr nicht ersparen. »Ihre Ehe scheint nicht sehr glücklich gewesen zu sein?«
»Herr Doktor …«, sie zögerte, »was ich jetzt auch antworten könnte, es würde Sie doch nicht überzeugen.«
Dr. Lüth stand auf. »Frau Riffart, im Zimmer Ihres Gatten ist eine Nachtschwester. Der Stationsarzt sitzt nebenan. Und auch ich bin jederzeit erreichbar … In den nächsten Stunden könnten Sie ohnehin nichts für ihn tun.«
»Ich soll also gehen?«
»Sobald er zu sich gekommen ist, werde ich ihm sagen, daß Sie hier gewesen sind und daß Sie ihn bald besuchen.«
»Und wird er zu sich kommen?« fragte Laura bange.
»Ich zweifle nicht daran – und auch Sie dürfen keine Zweifel haben!«
Der Arzt begleitete Laura noch bis zum Lift. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück und warf sich angezogen und todmüde auf sein Notbett. Er schlief auch augenblicklich ein.
Die Sprechstundenhilfe in Dr. Normanns Praxis sah Stephi Helmer erstaunt an. »Sind Sie angemeldet, Frau Helmer?«
Stephi schüttelte den Kopf. »Ich warte, wenn mich der Doktor im Augenblick nicht empfangen kann.«
»Einen Moment bitte.«
Ich weiß nicht, dachte Stephi, warum ich Hemmungen habe, es so klipp und klar vor den andern auszusprechen. Ich will ihn mal zuerst ganz allein fragen.
Sie setzte sich im Wartezimmer in einen Sessel, schlug die Zeitung auf, starrte auf das Datum.
Heute wird Laura geschieden, mußte sie plötzlich denken. Ja, wir wissen alles voneinander – die Frage ist bloß: Wie helfen wir uns weiter? Wie lange dauert es, bis man so ist wie die andern Frauen?
Ob es im Scheidungsprozeß zur Sprache kommen wird? Ob Lauras Mann vielleicht zum Richter sagt: »Sie wissen nicht, was es heißt, mit einer frigiden Frau verheiratet zu sein …«?
Der Mann enttäuscht, die Frau enttäuscht … Wer es nicht selber erlebt, der kann es kaum kapieren.
»Frau Helmer, bitte«, sagte jetzt die Sprechstundenhilfe, die wieder hereingekommen war.
Stephi war eine scharfe Beobachterin. Die tiefen Schatten unter Dr. Normanns Augen fielen ihr sofort auf. Was er wohl für ein Leben führt, außerhalb seiner
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