Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
ein paar Stunden zu mir gesagt.
Tränen liefen Ellen Diekenhorst ins Gesicht. Ich habe Angst, dachte sie. Aber ich muß meine Angst überwinden, nicht wahr, Herr Doktor Normann? Ich bin neurotisch, fehlgesteuert, hilflos. Deshalb bin ich in Behandlung, nicht wahr, Herr Doktor?
Ellen schloß das Fenster wieder. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, lehnte sich mit dem Rücken an die warme Kaminwand. »Ellen«, sprach sie zu sich selbst, »du bedeutest ihm gar nichts, du bist nur ein Dekorationsstück, so was wie der venezianische Spiegel da drüben an der Wand. Ellen, nimm dich zusammen, hasse ihn, hasse ihn endlich!«
Deutlich hörte sie plötzlich das Geräusch des heranfahrenden Wagens, das Rollen der Garagentür. Sie hörte seinen Schritt, wie er durch das Haus ging. Er kam herein, und seine Stimme klang erstaunt: »Ellen, bist du noch auf?«
Seine Nähe, seine Stimme, die Sicherheit, die von ihm ausging – all das machte sie unsicher. Trotzdem sagte sie: »Ich weiß, woher du jetzt kommst.« Da er nicht sofort antwortete, sondern nur seine Augenbrauen etwas hochzog, setzte sie hinzu: »Du hast ein Verhältnis, Rudolf. Ich weiß, wie sie heißt und wo sie wohnt.«
»Du bist betrunken«, antwortete er.
»Ja, ich bin betrunken. Aber das ändert nichts an der Tatsache …« Sie beendete den Satz nicht, konnte plötzlich nicht mehr weitersprechen.
Da, in dieser Sekunde, erinnerte sich Rudolf Diekenhorst an die Worte dieses unsympathischen Psychiaters Normann: »Haben Sie, Herr Konsul, noch nie gemerkt, wie sehr Ellen an Ihnen hängt, wie völlig ausgeliefert sie Ihnen ist …?«
Diekenhorsts Gehirn arbeitete schnell. Ja, dachte er brutal, ich komme von einem süßen kleinen Abenteuer, aber ich werde mich ganz anders verhalten, als du denkst. Ich kenne dich, ich sehe, daß du Angst hast. »Komm her, Liebling«, sagte er leise, einschmeichelnd. Und er dachte dabei: Du bist mir ausgeliefert, Ellen. Du bist ein Stück von mir. Du kannst dich gegen mich nicht zur Wehr setzen. Du wirst alles tun, was ich wünsche, alles!
»Ich hasse dich«, flüsterte sie mit abgewandtem Gesicht.
»Nein, Ellen. Du haßt mich nicht. Du kannst mich gar nicht hassen. Du liebst mich.«
Immer noch lehnte sie mit dem Rücken an der Kaminwand. Die Glut der Holzscheite beleuchtete nur spärlich ihr Gesicht.
Er ging langsam auf sie zu. Der Gedanke, grenzenlose Macht über sie zu haben, erregte ihn. Das Spiel reizte ihn. Die Macht eines Mannes über eine Frau – wie weit kann man das treiben?
Ellen zitterte am ganzen Körper. Ich bin krank, dachte sie, ich bin viel schlimmer krank, als ich vermutet habe. Verzweifelt griff sie nach dem Glas und schüttete ihrem Mann den Rest Gin ins Gesicht.
Es machte ihm nichts aus. Er sagte kein einziges Wort. Sie spürte nur plötzlich seine Hände. Stück für Stück zog er sie an sich, bog ihr den Kopf nach hinten, küßte sie. Und flüsterte: »Komm, Liebling, ich trage dich nach oben!«
Im Schlafzimmer machte er kein Licht. Und sie war, wie immer, halb von Sinnen, erfüllt von Leidenschaft, glücklich und unglücklich zugleich, wehrlos in seinen Armen. Und sie stammelte: »Ich liebe dich.«
Im Flur der Klinik stand Dr. Normann vor Laura Riffart. Nur wenige Schritte von den geschlossenen Türen des Operationssaales entfernt.
Laura sprach wie im Fieber auf Normann ein: »Viktor muß durchkommen. Er kommt durch, ich fühle es. Und ich bin immer noch seine Frau. Ich gehöre jetzt mehr denn je zu ihm.«
Normann hatte noch den weißen Mantel an und die Gummischürze um, so wie er von der Operation gekommen war. Nur die Gesichtsmaske hatte er abgenommen. »Ich stehe dir nicht im Weg, Laura«, sagte er. Klang es härter als beabsichtigt?
»Richard«, fuhr Laura beschwörend fort, »du denkst jetzt, daß es Mitleid ist, Anstand oder so etwas. Aber das stimmt nicht. Ich weiß jetzt, daß ich Viktor liebe und nie aufgehört habe, ihn zu lieben …«
Er schwieg.
»… und ich weiß, daß der Unfall kein Zufall war. Vielleicht wollte er es, hörst du? Vielleicht ist er absichtlich gegen die Mauer gefahren, weil er nicht mehr weiter wußte, weil er verzweifelt war.«
»Nein«, protestierte Normann schwach, »ein kleiner Junge ist ihm in die Fahrbahn gelaufen.«
»Und daran glaubst du?« Sie schrie es ihm fast ins Gesicht. »Du siehst nicht ein, daß nur wir schuld wären an seinem Tod – vielmehr: Ich wäre schuld. Denn ich hab' ihn soweit gebracht, ich ganz allein!«
Er nahm sie bei der
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