Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
mußt schlafen«, hörte er Laura sagen. »Du mußt dich gesund schlafen. Du denkst viel zu viel.« Und dann hörte er noch die Stimme der Schwester, schon sehr weit weg: »Die Spritze wirkt jetzt.«
    Dieser Septembertag brachte noch einmal die Hitze des Sommers zum Glühen. Sie brütete überall: in den Gängen des Krankenhauses, in den Straßen, vor den herabgelassenen Rolläden der Häuser, über dem erschöpften, staubigen Grün der Gärten. Jeder in der Stadt atmete auf, als sich am Abend ein Gewitter zusammenzog.
    Nur Ellen Diekenhorst starrte angstvoll auf die schwarzen, schwefelgelb gesäumten Wolken.
    Sie schloß die großen Terrassentüren und preßte einen Augenblick lang ihr Gesicht gegen die kühlen Scheiben.
    Seit wann fürchtete sie sich vor einem Gewitter?
    Der Wind riß wie mit einem Peitschenschlag die Blütenblätter von den Rosen und fegte sie über die Terrasse. Die Bäume bogen sich, die Treppen und die Dachbalken ächzten, irgendwo schlug ein offenes Fenster, und das hörte sich an, als ginge jemand mit einem Krückstock durchs Haus …
    »Frederik!« rief Ellen.
    Keine Antwort.
    Sie drückte auf die Klingel neben der Couch. Mit einem scheppernden Geräusch schlug im Gang die Glocke an.
    Niemand kam.
    Mein Gott, wo waren sie denn alle? Das Kindermädchen und der Kleine, die waren an der Nordsee. Aber der Butler Frederik und das Hausmädchen und die Köchin – sie konnten doch nicht alle Ausgang haben?
    Man kann mich doch nicht einfach allein lassen, im Stich lassen, an einem Abend wie heute, mit diesem schrecklichen Gewitter am Himmel!
    Die ersten Blitze zuckten auf. Mit einem Ruck riß Ellen die Vorhänge zu. Sie konnte sich nicht erinnern, in diesem Haus jemals zuvor Angst gehabt zu haben. Was war mit ihr los, was war geschehen, warum konnte sie auf einmal kaum mehr atmen?
    Und warum fiel ihr auf einmal Dr. Normann ein? »So etwas wie Ihre Schluckbeschwerden«, hatte er gesagt, »so etwas kann sich wiederholen. Vielleicht ist es das nächste Mal ein Magengeschwür. Oder eine Herzattacke. Die Neurose hat viele Gesichter.«
    Hat sie auch das Gesicht der Angst? Ist es das, was mir das Herz zusammendrückt?
    Zum hundertstenmal starrte sie auf das Telefon. Und auf den kleinen weißen Zettel, der daneben lag.
    Ihr Mann hatte ihn heute morgen hingelegt, mit einem merkwürdigen Lächeln. »Ich glaube, daß es heute abend spät wird. Wenn was los ist – unter dieser Nummer kannst du mich erreichen.«
    Das kleine, grausame Lächeln in seinen Mundwinkeln hatte ihr mehr verraten als seine Worte. Er würde bei seiner Geliebten sein. Er würde auch heute bei diesem Mädchen sein, wie die meisten Abende vorher. Er gab sich keine Mühe mehr, es zu verschleiern. Im Gegenteil. Er wollte offenbar, daß sie es zur Kenntnis nahm. Warum wollte er das?
    Wie hypnotisiert starrte sie auf das Telefon. Und wenn sie sich täuschte? Wenn er anderswo war? Wenn sie ihn nur anzurufen brauchte: »Ich habe Angst, Rudolf, bitte komm nach Hause.«
    Sie biß sich auf die Lippen und ging hinüber zu dem kleinen, perlweißen Apparat. 52 34 69. Sie wußte die Nummer auf dem Zettel auswendig.
    »Edith Lieven«, meldete sich eine Stimme nach dem fünften Läuten.
    Ellen Diekenhorst lehnte sich an die Wand und ließ die Hand mit dem Hörer sinken.
    »Hallo?« fragte die Stimme. »Hallo?« Das Blut rauschte in Ellens Ohren, lauter als der Donner draußen.
    Und nach einer kleinen Weile kam eine Männerstimme, seine Stimme: »Wer ist denn am Apparat?«
    Sie rührte sich nicht.
    Sein Atem in der Leitung. Und plötzlich: »Ellen?«
    Mit einer unendlich mühsamen Bewegung legte sie den Hörer auf die Gabel zurück.
    »Unter dieser Nummer kannst du mich erreichen.« Keine Lüge mehr. Nicht einmal eine Lüge mehr.
    Sondern eine Herausforderung. Eine erbarmungslose, unverhüllte Herausforderung. Wozu? Was will er? Daß ich um ihn kämpfe? Daß ich weine, tobe, schreie? Er weiß, daß ich das nicht kann. Er will mich quälen, dachte sie dumpf. Es macht ihm Spaß, mich zu quälen.
    Draußen brach mit einem Schlag der Regen los, bildete schäumende Pfützen und Bäche auf der Erde.
    Sie floh hinauf in ihr Schlafzimmer, in ihr Bett. Es wäre das Einfachste gewesen, in einen traumlosen Schlaf zu fliehen. Aber sie lag wach, horchte auf den Donner, auf das immer gleichmäßigere Rauschen des Regens, auf die Geräusche im Haus.
    Sie hörte ihn nach Hause kommen.
    »Ellen?«
    Sie gab keine Antwort.
    Mit seinem leichten, raschen Schritt, den sie so

Weitere Kostenlose Bücher