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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Psychiater«, antwortete sie.
    »Kennst du ihn auch?«
    »Ja«, sagte sie mühsam, »ich bin bei ihm in Behandlung.«
    Er schloß die Augen, und sie sah seinem Gesicht an, daß er angestrengt nachdachte. Die Stille war furchtbar.
    »Ach ja«, kam es auf einmal von seinen Lippen, »ich sehe ihn jetzt vor mir.«
    Laura, die bisher an seinem Bett gesessen war, stand auf.
    »Viktor«, hätte sie am liebsten geschrien, »bitte, denk nicht weiter, du darfst dich nicht aufregen, ich habe es dem Arzt versprochen!«
    Er öffnete die Augen wieder, sah sie erstaunt an. »Was behandelt er denn bei dir?«
    »Nichts Besonderes«, versicherte sie schnell. »Nervöse Zustände, du weißt schon …«
    »Nervöse Zustände? Tut mir leid, ich weiß nichts davon.«
    Allmählich begriff sie, daß Viktor sie nicht quälen wollte. Er war tatsächlich ratlos. Doktor Richard Normann – im Augenblick war das für ihn nur ein Name. Daß Normann ihr Geliebter und der Scheidungsgrund war, das hatte er vergessen, ebenso wie das Problem ihrer Ehe. Ihre Unfähigkeit zu lieben. Ihre Frigidität.
    Er hätte sie sicher verständnislos angeblickt. »Liebling, du und frigid – das kann doch gar nicht wahr sein!«
    Laura kam ein paar Minuten früher als die anderen drei Patientinnen der Gruppentherapie zum Psychiater. Dr. Normann öffnete die Tür.
    Sie zog ihren Mantel aus.
    »Du wolltest eigentlich nicht kommen, nicht wahr?« fragte er.
    Laura schüttelte den Kopf. »Nein, Richard. Wenn du nicht angerufen hättest, wäre ich nicht mehr gekommen.«
    Es war kurz vor acht Uhr. Ein regnerischer Abend, der den Herbst ahnen ließ.
    Richard ging ihr voran in das Gruppenzimmer, sagte: »Viktor geht es besser, er ist fieberfrei …«
    »Ja«, sagte sie. »Woher weißt du es?«
    »Ich habe mit Dr. Lüth gesprochen«, antwortete er ruhig.
    Sie standen sich gegenüber in dem leeren Zimmer, neben dem runden Tisch. Ihre Blicke wichen sich nicht aus.
    »Richard, du kannst Frauen helfen. Ich weiß es. Die kleine Stephi Helmer, die hast du verändert. Aber mir, Richard – mir kannst du nicht helfen. Wir hätten das von Anfang an sehen müssen. Du bist für mich nie ein Arzt gewesen und ich für dich nie eine Patientin.« Ihre Stimme war leise und klar. »Ich habe keine Ahnung, was aus Viktor und mir wird. Er kann sich an nichts erinnern. Aber heute ist ihm dein Name eingefallen. Eines Tages wird er wieder wissen, daß ich ihn betrogen habe.« Sie legte ihre Handtasche auf den Tisch und ging zum Fenster. »Was auch geschieht – ich bin heute zum letztenmal hier, Richard.«
    »Ich verstehe, daß du jetzt andere Sorgen hast«, sagte Normann. »Im Moment wiegt dein Problem nicht besonders schwer. Aber es wird immer wieder aufstehen, Laura, es wird immer wieder da sein.« Er vermied es, das Wort Frigidität zu gebrauchen. »Es stimmt übrigens nicht, daß ich dir nicht helfen kann«, fügte er hinzu. »Ich kann dir helfen. Deshalb habe ich dich angerufen.«
    Sie wandte den Kopf nach ihm um. Ihr Gesicht sah überrascht aus. »Was meinst du damit?«
    »Ich werde es dir gleich sagen.«
    Die Türglocke läutete. Stephi Helmer kam, ein wenig später Helga Anderssen, als letzte Ellen Diekenhorst.
    Sie setzten sich rund um den Tisch, wie immer, lächelten sich zu. Diese abendlichen Sitzungen in dem langsam dunkel werdenden Zimmer waren fast wie Verschwörungen.
    »Wir haben uns angewöhnt«, eröffnete Dr. Normann das Gespräch, »Träume zu erzählen. Es hat sich herausgestellt, daß jede von Ihnen sozusagen ihre Spezialträume hat. Helga träumte schon zweimal von Schlangen, Ellen stürzt in die Tiefe oder hängt in Felsspalten, Stephi träumt von Überschwemmungen – und Sie, Laura, Sie träumen immer wieder von Perlen.« Er nahm ein Streichholz, zerbrach es in vier kleine Stücke. »Für jeden Traum gibt es eine Erklärung. Träume verraten viel von dem Teil unserer Persönlichkeit, den wir selber nicht kennen, von unserem Unterbewußtsein, unserer Nachtseite. Lauras Traum war sehr schwer zu erklären …«
    »Sie haben uns einmal gesagt«, warf Stephi Helmer ein, »daß die Perle das Symbol ist für das Kind. Perle und Muschel, Kind und Mutter – ich erinnere mich genau.«
    »Ich auch«, sagte Normann. »Ich erinnere mich auch, daß mir schon Ihr erster Traum von der Perlenkette, die Sie zerrissen haben, Laura, sozusagen verdächtig war. Ich habe nur eine Zeitlang gebraucht, bis ich auf die richtige Fährte kam.«
    »Und was ist das für eine Fährte?« Lauras Gesicht

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