Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
bin!«
Sie hielt sich an der Stuhllehne fest, lachte. Ein irrsinniges, betrunkenes Lachen. Verrückt, daß sie jetzt an Doktor Normann dachte, ihren Psychiater. Ganz falsch, Herr Doktor Normann, ganz falsch habe ich es wieder mal gemacht. Ich, Helga Anderssen, wollte jemand verführen, ich wollte mich über die Hintertreppe in die Liebe einschleichen – aber ich bin abgeblitzt. Abgeblitzt! Ist das nicht zum Lachen?
»Sie werden mich noch verstehen«, sagte Werner Gerson.
Das Lachen erstarb ihr auf den Lippen. Sie starrte ihn an. Und sie dachte: Er hat wenigstens Mitleid mit mir. »Entschuldigen Sie«, stammelte sie, rannte hinaus und sperrte sich in ihr Schlafzimmer ein.
Am nächsten Morgen geschah etwas völlig Unerwartetes: Als Helga Anderssen aufwachte, mit einem ziemlich benommenen Kopf, da war es schon neun Uhr durch. Die Ereignisse der vergangenen Nacht erschienen ihr wie ein Alptraum.
Ich muß verrückt gewesen sein, dachte sie, als sie die Rolläden hochzog und in die Sonne blinzelte.
In der Wohnung war es vollkommen still. Sie lief barfuß im Pyjama ins Bad, putzte sich die Zähne, kämmte sich und verschob das übrige Make-up auf später.
Im Wohnzimmer blieb sie wie angewurzelt unter der Tür stehen. Es roch nach Kaffee, und der Tisch war gedeckt, Brötchen, Butter, Honig. Sogar ein Blumenstrauß in der Mitte.
Und der Mann, der jetzt lachend auf sie zutrat, war immer noch der von gestern abend – aber er trug nun ein frisches weißes Hemd, war rasiert und fragte ganz einfach: »Na, Helga, wie fühlst du dich?«
Vor Verwirrung brachte sie kein einziges Wort heraus. Und da legte ihr dieser unmögliche Mensch auch schon den Arm um die Schulter und sagte: »Das ist ein süßer Pyjama, du kannst gleich so frühstücken.«
»Herr Gerson«, stotterte sie, »wie haben Sie denn …«
»Wer ist Herr Gerson?« grinste er.
Da wurde sie richtig rot wie ein kleines Mädchen. Sie senkte den Blick. »Werner, wie hast du das alles geschafft?«
Er zog sie ganz behutsam in seine Arme und küßte sie.
Und während er sie küßte, während sich ihre Gesichter berührten, seine Hände sie festhielten, sie sich zärtlich an ihn schmiegte, da überfiel sie ein Gefühl unendlichen Glücks.
»Ich bin heute früh doch über den Balkon geklettert«, sagte er. »Leider bist du jetzt kompromittiert, denn von der Straße aus haben mich ein paar Leute beobachtet.«
Helga lachte ihn an. Dann blickte sie an sich hinunter. »Aber ich kann doch unmöglich im Schlafanzug frühstücken.«
Er gab ihr einen kleinen Klaps. »Na klar kannst du.«
Sie setzte sich gehorsam neben ihn. Und während des Frühstücks blickte sie ihn oft verstohlen von der Seite an. Und immer wieder fragte sie sich, zuerst zaghaft, und dann immer hoffnungsvoller: Ob er mich liebt? Ob er wirklich eines Tages zu mir sagen wird: »Helga, ich habe dich lieb …«?
Mein Gott, ganz schwindlig wurde ihr bei dem Gedanken.
»Ich hab's schon gehört vom Doktor«, sagte Laura zu ihrem Mann, als sie das Krankenzimmer in der Klinik betrat, »du bist heute zum erstenmal fieberfrei.«
Viktor Riffart klimperte mit den Augendeckeln. Mit dem Kopf zu nicken, das war ihm noch verboten. »Du siehst, ich mache Fortschritte. Sogar die Schwester ist abgelöst. Ich habe jetzt dafür einen Klingelknopf.«
Laura beugte sich zu ihm hinunter und küßte ihn.
»Weißt du, wenn keine Komplikationen auftreten, könnte es in fünf oder sechs Wochen schon klappen mit der Entlassung.«
Jedes seiner Worte erinnerte Laura an ihre Situation. Scheidungssache Riffart gegen Riffart – so war doch die Lage. Und das konnte Viktor mit der Rückkehr seines Erinnerungsvermögens jeden Augenblick einfallen. Heute oder morgen, früher oder später würden auch diese Erinnerungen wiederkommen, würde der Schock des Verkehrsunfalls völlig überwunden sein.
Und dann?
Fritz Sternberg, sein Freund und Scheidungsanwalt, hatte vorhin unten auf der Straße zu ihr gesagt: »Ach Quatsch. Du liebst ihn, und er liebt dich. Diese blödsinnige Scheidung ziehen wir zurück.«
»Laura«, sagte Viktor plötzlich, »mir ist übrigens wieder ein Name eingefallen. In meinem Gehirn muß es wie in einem alten Speicher aussehen.«
»Was für ein Name?« fragte sie.
»Doktor Richard Normann … Wer ist das?«
Spottete er über sie? Wußte er längst alles? Wollte er sie quälen, oder was sonst?
»Was siehst du mich denn so an?« erkundigte er sich ungeduldig. »Wer ist das: Doktor Richard Normann?«
»Ein
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