Zum Glueck ein Poerßenel-Trainer
Jahre avancierten wir zur coolsten und auch beliebtesten Dreierclique der gesamten Schule. Man nannte uns das Trio infernale. Während Steffi und ich ein eher durchschnittliches Erscheinungsbild abgaben, entwickelte sich Susi zum hübschesten Mädchen, später zum heißesten Feger der ganzen Penne. Steffi beeindruckte außerdem die Tatsache, dass Susi „Linkshändler“ war. Meiner Mutter widerstrebte natürlich die Freundschaft zu beiden Kindern, jedoch schon zu Beginn unserer Komplizenschaft trotzten wir kollektiv der Maxime: „Die Familie könne man sich nicht aussuchen“ und über die Jahre hinweg belehrten wir unsere Eltern, Freunde und Nachbarn eines Besseren. Steffi und Susi waren meine ausgesuchte Familie, meine Seelenverwandten. Meine Schwestern im Geiste. Mit Steffi wuchs ich praktisch wie mit einer Schwester Tür an Tür in der Kastanienallee im beschaulichen Berliner Zehlendorf auf. Unsere Gärten waren durch ein rostiges Gartentor verbunden, welches immer offen stand (das lag ganz sicher auch daran, dass das Scharnier klemmte, weil es so verrostet war). Susi wohnte praktischerweise nur eine Seitenstraße weiter. Steffis Eltern waren erst vor zwei Jahren nach Mallorca umgesiedelt, um dort so richtig ihre Rente „auf den Kopp zu kloppen“ - wie sie es nannten. Nun bewohnte Steffi ihr Elternhaus, meine Eltern lebten im Haus nebenan und ich kampierte in Steffis Vorgarten im Wohnwagen.
Schon in früher Kindheit wollten meine Eltern mir den Umgang mit Steffi untersagen und vor allem Ilse-Dore betonte immer wieder wie unterprivilegiert diese Drombuschs doch waren. Jedoch für Steffi und mich war es Liebe auf den ersten Blick. Steffi war in meinen Augen schon immer das lustigste Mädchen mit den besten Ideen, welches die ganze Berliner Vorstadt zu bieten hatte. Ihre Eltern waren praktisch auch meine Eltern. Was meine Eltern an Sozialisierung in mich investierten, machten Steffis Eltern zunichte, natürlich nicht planmäßig, nur weil sie eben sie waren. Es ging dort zumeist sehr unkonventionell und archaisch zu. Aber genau das war es, was mir so imponierte. Während ich zu Hause in der Tat erzogen wurde, genoss Steffi das genaue Gegenteil. Ihre Eltern praktizierten antiautoritäre Entfaltung - wie sie es nannten. Steffi durfte selber entscheiden, ob ihr Zimmer aufgeräumt werden musste oder ob sie um dreiundzwanzig Uhr schon müde genug war, um schlafen zu gehen. Sie durfte machen, wonach ihr der Sinn stand und wurde in all ihren Ideen und Anwandlungen jederzeit unterstützt und bestärkt. Im Grunde genommen war Steffi Astrid Lindgrens fleischgewordene Pippi Langstrumpf und ich war stolz, mich deren beste Freundin nennen zu dürfen. Wir unternahmen alles gemeinsam, im Sommer gingen wir baden oder spielten mit Thea, Rosa, Susi und den Nachbarskindern im Garten, im Winter spielten wir bei Steffi im Haus. Uns stand die gesamte obere Etage des Drombusch-Hauses für uns allein zur freien Verfügung. Dort konnten wir fantastisch Versteck spielen oder Schlagzeug und Steffis Mutter backte uns die leckersten Schokoladenkekse der Welt. In der Schule saßen Steffi und ich natürlich nebeneinander, gleich hinter uns saß Susi. Ich war das Deutsch-Ass und Steffi der Matheprofessor. Susi trug in allen Fächern gefährliches Halbwissen mit sich herum und schlängelte sich deshalb immer so durch. Meistens allerdings bekam sie wegen ihres kessen Augenaufschlags immer eine Note besser. Während ich noch heute äußerst zufrieden lächle, wenn mich niemand mit dem Wechselgeld betrügt, konnte Steffi mühelos Brüche multiplizieren und den Umkreismittelpunkt eines jeden Dreiecks einwandfrei konstruieren. Bewundernd und ehrfürchtig schrieb ich in jeder Mathe-Klausur bei Steffi ab. Für mich waren Zahlen böhmische Dörfer. Im Gegensatz dazu war Steffi Legastheniker, und zwar in Wort und Schrift, wodurch die eindrücklichsten Wort- und Satzkreationen entstanden. Wir hatten immer unseren Spaß. Einmal teilte sie uns mit, dass sie die „Nachbarn ganz schön im Schacht gehalten habe mit ihrem Schlagzeug!“, und in der Schule musste Steffi jedes Mal zehn Pfennig ins Phrasenschwein werfen, weil sie es sich nicht nehmen ließ, das Wort ,fand‘ in ,fande‘ umzuändern! Noch heute empörte sie sich, insbesondere, wenn sie einen im Tee hatte: „Das fande ich echt albern von der alten Tröpke, dass ausgerechnet ich immer zehn Pfenning(!) opfern musste, diese geldgeile Sau!“ Auch führte Steffi des Öfteren den Hund von Gustav
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