Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
verzieh, Verrat begangen zu haben.
Sie hockte sich neben Michael Ratliff. Er nahm ihre Hand in seine beiden Hände und drückte sie fest. »Ich weiß, was Sie denken. Sie halten das, was ich Ihnen jetzt anvertraue, gewiss für die absurde Spinnerei eines alten Mannes. Aber ich hatte gleich so eine unbestimmte Ahnung, als Sie an jenem Tag auf der Ranch auftauchten. Und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als Lyon an besagten Abend kein gutes Haar an Ihnen ließ. Aber trotz seines Ärgers und seiner Abneigung Ihnen gegenüber wird mir zunehmend bewusst, dass Sie schwer Eindruck auf ihn machen, Andy. Ich denke, es war ein Wink des Schicksals, dass Sie in unser Leben getreten sind.
Verzeihen Sie, aber Männern wie mir bleibt nicht mehr viel Zeit für Takt und Feingefühl. Ich möchte Sie deshalb ganz offen etwas fragen: Lieben Sie meinen Sohn?«
Sie legte ihren Kopf auf sein knochiges Knie und presste die Lider fest zusammen. Kämpfte gegen die Tränen an, die ihr unaufhaltsam in die Augen schossen.
Sie nickte stumm, dann hob sie den Kopf zu ihm. »Ja. Ja, ich liebe ihn.«
Seine zitternde Hand streichelte über ihr Haar, über ihre Wange. »Das war mir ein Herzensanliegen. Ich habe es mir so gewünscht. Sie sind genau die Richtige für ihn. Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken um das Hier und Jetzt. Malen Sie sich lieber eine schöne Zukunft aus. Wenn Ihre Liebe Bestand hat, steht dem nichts im Wege. Das verspreche ich Ihnen.«
Sie wusste es zwar besser, mochte seinen Optimismus aber nicht enttäuschen. Stattdessen stand sie auf, lehnte sich über ihn und küsste ihn behutsam auf die Wange. Sie sagten nicht Lebewohl, sondern fixierten einander nur in einvernehmlichem Schweigen, bis Lyon vortrat und ihm ins Haus half.
Es war abgesprochen, dass die Crew den Van vor das Gästehaus fahren und dort beladen sollte. Nachher würden sie vor Les herfahren und ihn zum Haven in the Hills lotsen. Andy würde später in ihrem Mietwagen nachkommen.
Sie warf einen letzten, flüchtigen Blick durch den Raum, überprüfte, ob sie nicht noch irgendetwas Wichtiges liegen gelassen hatte. Sie mochte nicht darüber nachdenken, was diese Abreise für sie bedeutete. Es war die reinste Hölle. Inbrünstig seufzend entschied sie, die Beschäftigung mit ihren Problemen auf später zu verschieben, wenn sie allein wäre.
Dann würde sie sich den zweifelhaften Luxus gönnen, sich ausgiebig in ihrem Elend zu suhlen.
Sie war sich dessen bewusst, dass sie ihre Abreise unnötig lange hinauszögerte. Also ging sie schweren Herzens zur Tür, riss sie kurz entschlossen auf. Und prallte fast mit Lyon zusammen, der auf der Schwelle stand. Sein Gesicht völlig emotionslos. Nicht Ärger. Nicht Triumph. Keine Zuneigung. Dumpf und leer, wie sie selbst sich innerlich fühlte.
»Ich hab fertig gepackt. Und wollte gerade runterkommen«, sagte sie hastig, in der Annahme, dass er gekommen wäre, um ihre Koffer zu holen.
Er erwiderte nichts, sondern schob sie zurück in den Raum und schloss die Tür hinter ihnen. Sie wich zwei weitere Schritte zurück. »Wie … wie geht es deinem Vater?«
»Er ist sehr erschöpft. Ich hab den Arzt gebeten, zu uns herauszukommen und ihn zu untersuchen. Er ist jetzt bei ihm.«
»Ich hoffe nur, der heutige Tag war nicht zu anstrengend für ihn, aber …« Ihr versagte die Stimme. Warum nur? Fiel ihr nichts Geistreicheres ein? Aber wenn sie Lyon vorgeworfen hätte, dass er ja unbedingt auf das Interview am Nachmittag hatte bestehen müssen, wäre er vermutlich stocksauer auf sie geworden. Und im Streit mochte sie auch nicht Abschied nehmen.
Er kam unaufhaltsam auf sie zu, bis sie nur noch Zentimeter voneinander getrennt standen. Fasste
ihre Handgelenke, schob sie mit dem Rücken zur Tür. Stemmte ihre Hände rechts und links von ihrem Gesicht in Schulterhöhe gegen die Wand.
»Sieht mächtig danach aus, als wären Sie auf dem besten Weg zu einer steilen Karriere, Ms. Malone. Schade nur, dass Sie nicht die Sensationsstory bekommen haben, auf die Sie doch sooo gehofft hatten. Tut mir echt leid für Sie, dass Sie die ganze Mühe auf sich genommen haben und dann leer ausgehen. Aber ich hab noch was für Sie.«
Sie hätte erwartet, dass sein Mund unnachgiebig und hemmungslos sein würde, stattdessen jedoch war er weich und verführerisch. Lyon bediente sich einer der ältesten Taktiken des erfahrenen Strategen: dem Kontrahenten Sand in die Augen streuen, vordergründig Verhandlungsbereitschaft zeigen und ihm dann das
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