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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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hast.«
    Stan blinzelte mich nervös an.
    »Die SDV-Typen gehen nie an Land«, sagte er schließlich. »Warum können wir nicht vom Schiff aus operieren? Warum können wir mit unserem Platoon nicht auf ein Schiff umziehen?«
    In gewisser Weise hatte er sogar recht. Die SDV-Einheit, die uns zugewiesen worden war, hatte ihren Aufenthalt im Libanon bisher hauptsächlich dazu genutzt, ihre persönliche Fitness zu verbessern. Seit unserer Ankunft hier waren sie erst zweimal an Land gewesen. Wenn sie gerade einmal nicht mit Gewichten und Hanteln trainierten, verbrachten sie ihre Tage damit, an ihrem Mini-U-Boot herumzubasteln oder sich in ihrem Einsatz-Container Filme anzuschauen. Sie lebten in ihrem klimatisierten Komfort 10 000 Meilen von der Scheiße entfernt, die wir jeden Tag erdulden mussten.
    »Ich habe über diese SDV-Einheit keine Befehlsgewalt«, sagte ich.
    »Ich möchte mit Mr Giffland sprechen.« Stan putzte sich die Nase.
    »Nur zu.« Dann hörte ich dem Klang meiner eigenen leisen, ruhigen und völlig emotionslosen Stimme zu, als ob sie aus dem Lautsprecher eines Transistorradios käme.
    »Ich erwarte von dir nicht, dass du führst, Stan. Das hast du einfach nicht drauf. Aber ich erwarte, dass du dich einbringst und deine Aufgaben erledigst. Solange du in meiner Squad bist, wirst du das tun. Du wirst mit anpacken, du wirst aufhören, ständig herumzumotzen, du wirst meine Befehle künftig nicht mehr hinterfragen und du wirst deine Pflicht tun. Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, dass du bei jeder Patrouille jenseits des Sicherheitszauns, bei jeder Scharfschützen-Bekämpfungsmission, bei jeder Bergung von Verwundeten unter Feuer, kurz bei jedem Scheißeinsatz dabei bist, den ich nur auftreiben kann.«
    Stan stand auf.
    »Der Hubschrauber wird in zwei Stunden auf dem Flugdeck stehen«, sagte ich. »Und du wirst mit ihm zurückfliegen.«
    Stan verließ den Raum. Ich weiß nicht, ob ich je mit Frank über ihn gesprochen habe. Ganz sicher habe ich dieses Gespräch nie erwähnt. Das musste ich auch nicht. Frank war ein viel zu guter Offizier, als dass er nicht mitbekommen hätte, dass Stan die Peilung verloren hatte. Das Problem war in meiner Squad, und ich musste selbst damit fertigwerden.
    Stan blieb im Zug, er blieb im Rotationssystem und verrichtete seinen Dienst an Land wie alle anderen auch. Er tat dies ab jetzt still und geächtet, missachtet und ignoriert von seinen Kameraden. Den Rest seiner Zeit im Libanon war er nur noch eine Art Geist.
    Ich habe keine Ahnung, was Mut überhaupt ist. Beweist man sich durch Tapferkeit seinen eigenen Wert oder stellt man einfach nur sein Pflichtgefühl über den natürlichen Selbsterhaltungstrieb? Solche Fragen sollte man mir nicht stellen. Ich weiß nicht, woher der Mut kommt. Ich weiß nicht, warum ihn manche Menschen haben und andere nicht. Ich weiß nicht, warum ihn manche ganz plötzlich verlieren, und ich habe nie herausgefunden, warum einige Leute Mut fassen, wenn er am meisten gebraucht wird. Stan hatte das bisschen Mut verloren, das er in den Libanon mitgebracht hatte, und ich konnte sogar verstehen, warum. Dieser Ort hier war verrückt und kriminell. Es war in jederlei Hinsicht die groteske Farce eines Krieges, in der jedoch auf grausame Weise gestorben wurde, und ich hasste diesen Einsatz aus ganzem Herzen.
    Ich wusste, dass ich gegenüber einem gebrochenen Mann mitfühlender, nachsichtiger und tröstlicher hätte sein sollen. Aber ich tat nichts dergleichen, weil ich gerade selbst ganz langsam zerbrach. Ich hätte mit diesem Problem bestimmt besser umgehen sollen, aber ich war damals noch nicht der Mensch, der ich heute bin. Jetzt denke ich, dass ich Stan herzlos und schroff behandelt habe. Mein Urteil über ihn war vorschnell und selbstgerecht. In Wahrheit war ich innerlich genauso angeschlagen wie er.
    Wir fürchteten unterschiedliche Dinge und zeigten unsere Angst auf unterschiedliche Weise. Unsere Albträume unterschieden sich. Aber wir hatten beide Angst. Ich war zu ausgelaugt, angefressen und zynisch, um die richtigen Dinge zu sagen. Vielleicht gab es in dieser Situation aber auch gar keine passenden Worte.
    Ich sorgte mich um den Zug mehr als um mein eigenes Leben. Stan war ein Teil dieses Platoons, aber er war die Schwachstelle, der Teil, der alle ins Verhängnis stürzen konnte, der vielleicht unseren Untergang herbeiführte. Mit seiner krankhaften Vorsicht und seinen bangen Ahnungen konnte er uns zu Fehlern verleiten, die unseren Tod zur Folge

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