Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
sagen, ein Käse-Sandwich. Ich aß es langsam und mit Genuss.
Ich ging durch das Schiff zu den Unterkunftsräumen unseres Platoons. Um diese Zeit lag jeder, der keine Wache hatte, in seinem Bett, und die rot beleuchteten Gänge waren verlassen. Ich kletterte mehrere Leitern hinunter in die Mannschaftsunterkünfte. Dabei kam ich durch ein Deck nach dem anderen voller leerer Schlafkojen. Auf dem Hinweg hatten hier Hunderte von Marines ihr Quartier gehabt. Jetzt waren sie alle leer. Die Namen toter Männer und ausgelöschter Einheiten waren immer noch auf den Klebebändern zu lesen, die an den einzelnen Kojen und Spinden angebracht waren. Die Portland war ein Geisterschiff.
Ich war froh, als ich endlich in den Unterkünften unseres Zugs anlangte. Ich drückte die Lukentür auf. Drinnen brannten alle Lampen. Die Jungs lagen in tiefem Schlaf auf ihren Pritschen und bewiesen wieder einmal die bemerkenswerte Fähigkeit des amerikanischen Seemanns, sich selbst vom hellsten Licht nicht in seinem Schlummer stören zu lassen. Das einzige Geräusch war das leise Summen zweier elektrischer Ventilatoren.
Doc Jones saß an einem Tisch zwischen den Pritschenreihen. Er rauchte eine Zigarette und schaute ins Leere.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchst«, sagte Doc, als er mich sah.
»Was tust du denn hier unten, Doc? Ich dachte, du bist in den Chief’s Quarters.«
»In dem verdammten Ziegenstall ist es mir zu eng«, brummte er. Doc drückte seine Zigarette aus und zündete sich eine neue an. Ich ließ meinen Blick durch den gesamten Mannschaftsraum wandern. Nicht ein einziger Mann hatte die Augen offen. Bubba rutschte auf seiner Pritsche hin und her und begann zu schnarchen wie ein in den Bauch geschossener Bär. Der Doc blickte mich an.
»Schaust du, wie es den Jungs geht?«
»Ja«, erwiderte ich. »Ich wollte nur mal nachsehen.«
»Trotz ihrer Faulheit und Ignoranz sind die Mannschaftsdienstgrade schlau und verschlagen und bedürfen ständiger Aufsicht«, sagte der Doc. Es war ein Satz, der in der Navy oft zitiert wurde. Angeblich stammte er aus einem Handbuch für Seeoffiziere aus dem Ersten Weltkrieg. Obwohl ich ihn schon hundertmal gehört hatte, musste ich immer noch lächeln.
Doc saß einfach nur da, rauchte und hörte den Schlafgeräuschen der Jungs zu. Plötzlich kam mir in den Sinn, dass er über sie wachte wie eine Henne über ihre Küken.
»Wir haben es geschafft, Chuck«, sagte Doc schließlich. Es war das erste Mal, dass er mich mit meinem Vornamen und nicht mit Diawi, Cock Breath oder Mr Pfarrer anredete.
»Ja, Doc. Wir haben es geschafft.«
Unser Zug hatte in den letzten sieben Monaten über 100 Kampfpatrouillen und Aufklärungseinsätze durchgeführt. Einige waren erfolgreich, andere nicht, aber Doc, Frank und ich hatten 16 SEALs in den Kampf geführt und brachten 16 wieder nach Hause zurück. Ich betrachtete dies jedoch nicht als einen Beweis meiner Fähigkeiten als Kommandosoldat oder meiner Führungskunst als Offizier. Ich hielt es für reines Karma.
»Du warst ziemlich gut«, sagte Doc plötzlich. Kein Lob, das ich jemals in meinem Leben erhalten habe, hat mich mehr berührt. Ich konnte ihm meinen Dank nur durch ein Nicken ausdrücken. Am liebsten hätte ich losgeheult. Wir schwiegen eine Weile, nur der Rauch von Docs Marlboro hing in der Luft.
»Ich habe gehört, du hast dich freiwillig bereit erklärt, deinen Einsatz im Libanon zu verlängern«, sagte Doc.
»Wer hat das behauptet?«
Doc kniff die Augen zusammen. Als ob ein kleiner LTJG jemals etwas tun könnte, ohne dass es ein Chief Petty Officer herausfinden würde.
»Bist du verrückt?«, fragte Doc.
»Ich weiß es nicht.« Ich zuckte die Achseln. Wahrscheinlich war ich verrückt.
Als ich von dem Luftangriff zurückkehrte, nahm der Task Force Operations Officer mich und Frank beiseite. Er erzählte uns, dass die frisch angekommene MAU befürchtete, dass ihre Personaldecke zu dünn sei und dass die Männer der neuen Marineinfanterie-Kompanien im Stadt- und Häuserkampf zu unerfahren seien. Der Kommandeur der Landungstruppen hatte deswegen um Freiwillige gebeten, die ihren Einsatz im Libanon verlängern und in eine der neuen Truppeneinheiten eintreten würden. Dieser Wunsch war durchaus sinnvoll. Nur verrückte Leute konnten vernünftigen Leuten helfen, aus einer total verrückten Situation noch einen Rest an Vernunft herauszufiltern. In Friedenszeiten waren solche freiwilligen Einsatzverlängerungen nichts
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