Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
völlig verwüstet. Die Deckenplatten und die Marmorverkleidung waren heruntergerissen worden, sodass jetzt die Stromleitungen und Lüftungsdüsen freilagen.
Auf allen vier Etagen waren die Räume mit Feldschreibtischen, Funkgeräten, Karten, Moskitonetzen und Aluminiumliegen vollgestopft. Die im Hauptquartier beschäftigten Marines schliefen neben den Schreibtischen, an denen sie arbeiteten. Die Büros der Operationsabteilung und der Stabsoffiziere waren mit handgeschriebenen Schildern gekennzeichnet. Etwa 350 Marines wohnten und arbeiteten hier.
Vor dem Gebäude stand ein Schild, auf das jemand mit Bleistift »Beirut Hilton« geschrieben hatte. Niemand nannte es jedoch so. Der Platz hieß »Battalion Landing Team Headquarters« oder einfach BLT.
Frank und ich schauten uns um. Es gab noch leere Räume. Es gab sogar eine Menge Platz, wo wir unsere Ausrüstung verstauen konnten. Es gab warmes Essen, Latrinen und Duschen … gelegentlich sogar Duschen mit heißem Wasser. Die Wände waren solide, das hieß, wir mussten uns kein Deckungsloch graben.
Während wir das ganze Gebäude besichtigten, schaute uns jeder Marine, an dem wir vorbeikamen, missbilligend an. SEALs tragen keine Rangabzeichen auf ihren Kampfuniformen. Wir tragen nicht einmal unsere Tridents, die Abzeichen, die uns als SEALs ausweisen. Frank hatte seine Hose nicht in seine Dschungelstiefel gesteckt, und ich selbst trug nicht einmal Stiefel, sondern Knöchelschuhe aus Segeltuch. Wir hatten lange Haare. Beide trugen wir einen Fu-Manchu-Schnauzer. Wir waren nicht mit M-16, sondern mit CAR-15 bewaffnet. Wir trugen nicht die gestärkten Stoffschirmmützen, die die Marines und Matrosen zusammen mit ihren Kampfanzügen tragen mussten, sondern hatten unsere schlabbrigen Dschungelhüte tief in den Nacken geschoben. Zu allem Überfluss hatte ich die vordere Krempe hochgeklappt wie der gute alte Paddington Bär.
Die Marines legten auf ein geschniegeltes Äußeres eine Menge Wert. Den SEALs war das dagegen ziemlich egal.
»Ich sehe hier einen Lifestyle-Konflikt auf uns zukommen«, sagte Frank.
Ich stimmte ihm zu. Verglichen mit dem Kleidungsstil unseres Zugs sahen Frank und ich noch wie Soldaten auf den Rekrutierungspostern der US-Streitkräfte aus. Wenn wir ins BLT einzogen, würde es nicht lange dauern, bis irgendein Marines Major bei unserem Anblick einen Wutanfall bekommen würde.
Auf der Rückfahrt zum Strand spielten Frank und ich das alte »Die Trauben sind viel zu sauer«-Spiel und fanden ein Dutzend Gründe, warum wir im BLT nicht Quartier beziehen sollten.
»Zu weit vom Wasser weg«, sagte ich.
»Zu nahe an den hohen Chargen«, sagte er.
»Zu viele Marines.«
Wir wussten beide, dass wir uns jetzt eine Unterkunft am Green Beach bauen mussten. »Bauen« bedeutete in diesem Fall graben, und zwar einen Unterstand und Schützenlöcher. Außerdem lag der Green Beach zwar am Wasser, war jedoch alles andere als eine perfekte Stellung. Er war in höchstem Maße exponiert. Falls … nein, wenn diese Stadt explodierte, wären wir an diesem Strand für alle Angreifer eine leichte Beute.
Der amerikanische Stützpunkt am Green Beach bestand aus einem Stück Küste entlang der Überlandstraße Beirut-Sidon und lag ungefähr 400 Meter vom Terminal des Internationalen Flughafens von Beirut entfernt. Zwischen Stellung und Straße hatte man 300 mit Teer gefüllte 200-Liter-Fässer aufgestellt. Diese Barriere lief den ganzen Green Beach entlang und trennte die 70 Marines, SeaBees und SEALs von der viel befahrenen Küstenstraße. Im Zentrum des Strands stand ein 6 Meter hoher Wachtturm. Die Zugänge im Norden und Süden waren durch Stacheldraht, Betonpanzersperren und sandsackbewehrte MG-Nester gesichert.
Niemand, der in Green Beach stationiert war, hegte allerdings allzu großes Vertrauen in diese Verteidigungsanlagen.
Den Marines am Flughafen und in den Außenposten standen Gebäude zur Verfügung, in denen sie notfalls Schutz suchen konnten. Die Truppen nördlich und südlich der Startbahn konnten sich zumindest einbilden, dass die Reste des Begrenzungszauns sie ein kleines bisschen sichern würden. Der Green Beach war jedoch ganz allein auf sich gestellt. Er war von allen anderen amerikanischen oder alliierten Stellungen und Stützpunkten abgeschnitten. Jenseits der Straße wurde Green Beach von einem 15 Meter hohen Sandsteinriegel überragt. Obwohl dieser ein wenig Schutz und Deckung vor Heckenschützen bot, schnitt er uns auch von dem Unterstützungsfeuer
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