Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
überließ mir einen Teil des Kommandos und bewies dabei großes Vertrauen in mich und meine beiden Boat-Crews. Dies gab mir auch die einmalige Chance, meine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Ich habe kaum jemals von anderen SEAL-Einheiten gehört, die eine solche kollegiale Kommandostruktur hatten.
Das System funktionierte ausgesprochen gut. Am Anfang unseres Einsatzes in Beirut übten wir niemals eine Aufgabe so lange aus, dass es uns dabei langweilig geworden wäre.
Am Ende des Sommers war Langeweile dann sowieso kein Thema mehr.
Hollywood bereitet einen auf gewisse Weise auf den Krieg vor. Das Szenenbild des Steven-Spielberg-Films Der Soldat James Ryan hat sich in die amerikanische Psyche als Archetyp einer vom Krieg zerstörten Landschaft oder Stadt eingegraben. Es hat jedoch nur wenig Ähnlichkeit mit den Zerstörungen eines echten Kriegs. Für den Uneingeweihten, auch für mich, wirkte die Zerstörung, die nicht in dieses Hollywood-Stereotyp passte, am Anfang irgendwie unwirklich, wenn nicht sogar unecht. Erst wenn man eine gewisse Zeit mit echten Kampfschäden, tatsächlich ausgebombten Gebäuden und dem realen Tod konfrontiert war, verschwanden die hohlen Hollywood-Bilder allmählich.
Bis man in ein Gebäude hineinschaut, das einen Artillerietreffer erlitten hat, oder mit eigenen Augen ein Haus sieht, das von Raketen aufgerissen wurde, dominieren immer noch die Eindrücke das Bewusstsein, die die Hollywood-Regisseure einem vermittelt haben. Dabei handelt es sich um die ausgebrannten Wohnhäuser, wie man sie während des Zweiten Weltkriegs in der europäischen Provinz vorfand, von denen oft nur noch eine einzige rauchgeschwärzte Wand stand, während das Dach weitgehend verschwunden war und die zerbrochenen Ziegel über die ganze Straße verstreut lagen. Im Libanon war ich dagegen ständig über die Widerstandsfähigkeit der Gebäude erstaunt. Fast jeder Bau in dieser Stadt trug irgendwelche Kampfspuren, bewies jedoch eine erstaunliche Zähigkeit. In den Seitenwänden einstöckiger Häuser klafften 80 Zentimeter breite Löcher, die von 105-mm-Panzergranaten verursacht worden waren. Durch diese Löcher konnte man in völlig zerstörte Innenräume hineinsehen. Als ich an diesen Gebäuden vorbeiging, fiel mir auf, dass die Löcher aussahen, als seien sie mit einem stumpfen Werkzeug hineingestoßen worden, so als ob man einen Telefonmasten durch die Wand gerammt hätte. Die Schäden auf der Außenseite sahen oft nicht sehr schlimm aus. Die wirkliche Scheiße geschah im Innern, dort, wo sich die Menschen aufhielten. Alle Spuren, dass dort einmal Menschen gelebt hatten, waren verschwunden, alle Einrichtungsgegenstände waren von der Hohlladungswirkung der panzerbrechenden Granaten in Fetzen gerissen worden. Oft überstand ein Haus vier oder fünf Einschläge, ohne einzustürzen. Wenn danach kein Feuer ausgebrochen war, sahen die Ränder der Einschusslöcher wie nasser Zement aus.
Wir begriffen allmählich, dass es so etwas wie den libanesischen Bürgerkrieg in der modernen Kriegsführung noch nie gegeben hatte. Es war ein Konflikt, der in einem stetigen Wechsel eskalierte und wieder abflaute und in dem ständig mindestens fünf erbitterte und rücksichtslose Feinde gegeneinander kämpften. Alle Bündnisse in diesem Krieg waren kurz und zweckgebunden. Keine Seite genoss einen zahlenmäßigen oder taktischen Vorteil gegenüber den anderen Kombattanten.
Im Libanon setzten technische und topografische Erwägungen die wichtigsten Grundprinzipien der Kriegsführung des 20. Jahrhunderts außer Kraft. Auf alltäglicher Basis gab es kaum Truppen- oder Positionsveränderungen. Außer in den seltenen Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten die libanesische Armee durch aktive Unterstützung zu einem entschlosseneren Auftreten bewegen konnten, unternahmen die Konfliktparteien kaum größere Anstrengungen, Gelände zu gewinnen. Die Drusen, die PLO, die Amal-Milizen, die Hisbollah und die Phalangisten hatten sich alle ein Stück vom Kuchen gesichert und schienen jetzt gar nicht mehr so erpicht darauf, ihrem Nachbarn etwas von dem seinen wegzunehmen. Und so ging es immer weiter, Monat für Monat. Alle Hauptbeteiligten kontrollierten einen Teil der Hauptstadt. Die Zentralregierung war völlig machtlos und gelähmt, während gleichzeitig 17-jährige Jungs Straßensperren an wichtigen Beiruter Kreuzungen errichteten.
Jede Kriegspartei verfügte in den Bergen oder in der Stadt über gesicherte Gebiete und Bastionen,
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