Zum Lieben verfuehrt
der berühmte italienische Baumeister Andrea Palladio für die Familie Emo gebaut hatte, ihren Weg auf diese entlegene Landzunge Griechenlands gefunden hatte.
„Eine tödliche Schönheit, könnte man auch sagen. Weil der Wunsch von jemandem, sie zu besitzen, in Widerstreit geriet mit der unbeugsamen Entschlossenheit meines Großvaters, sie unter gar keinen Umständen herzugeben – eine Entschlossenheit, die meinen und Tinos Vater das Leben gekostet hat.“ In Ilios’ Stimme schwang tiefe Verbitterung mit.
Ohne Lizzie ein Zeichen zu geben, begann er, den steilen Hang zur Villa hinabzusteigen. Lizzie folgte ihm automatisch. Nachdem sie ihn eingeholt hatte, brach es aus ihr heraus: „Was ist passiert … mit Ihrem Vater, meine ich?“ Immerhin hatte sie ebenfalls ihre Eltern verloren und wusste aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft ein solcher Verlust war.
„Was passiert ist?“ Ilios blieb so unvermittelt stehen, dass Lizzie um ein Haar mit ihm zusammengeprallt wäre. Sie konnte es nur verhindern, indem sie sich instinktiv an seinem Oberarm festhielt, aber sie ließ sofort wieder los. Zu ihrer eigenen Sicherheit und zur Wahrung ihres Seelenfriedens. Wobei sie allerdings nicht verhindern konnte, dass sie ein weiteres Mal von einer Woge des Verlangens überschwemmt wurde. Wieso hatte dieser Mann bloß so eine Wirkung auf sie? Lizzie konnte die Frage nicht beantworten, und eigentlich wollte sie es auch gar nicht. Sie wünschte sich einfach nur, dass es anders wäre.
Da Ilios fortfuhr, versuchte sie, sich auf das zu konzentrieren, was er sagte, und nicht auf das, was sie fühlte.
„Die damals regierende Junta sah sich genötigt, meinen Großvater vor die Wahl zwischen der Villa und dem Leben seiner Söhne zu stellen, nachdem mein Großvater sich geweigert hatte, die Villa an einen ihrer Generäle zu verkaufen. Da sind sie bei meinem Großvater allerdings an den Falschen geraten. Er entschied sich nämlich für die Villa.“
„Und gegen sein eigen Fleisch und Blut?“ Was für ein Horror! Lizzie erschauerte. „Wie konnte er so etwas tun?“
Inzwischen waren sie bei den Ausläufern der Parkanlage angelangt, aber Ilios schlug einen Weg ein, der um den Park herumführte. Lizzies Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Obwohl sie den Park natürlich gern aus der Nähe gesehen hätte, war sie in Gedanken immer noch bei dem, was Ilios ihr eben erzählt hatte.
„Sie ließen ihm keine Wahl“, erwiderte Ilios, während sie den kiesbestreuten Hof betraten, wo der Wagen parkte.
Lizzie stutzte. Aber sein Großvater hatte doch eine Wahl gehabt, oder nicht?
„Und was ist passiert … mit Ihrem Vater?“
„Er wurde erschossen. Sie wurden beide erschossen, wenn auch nicht zum gleichen Zeitpunkt. Tinos Vater – er war der jüngere Bruder – hatte man ursprünglich freigelassen. Angeblich war es ihm gelungen, die Junta davon zu überzeugen, dass es ihm gelingen könnte, seinen Vater zu überreden, seine Meinung doch noch zu ändern. Und nachdem sein Versuch erfolglos geblieben war, erlitten beide dasselbe Schicksal. Mit dem einzigen Unterschied, dass mein Vater mit verbundenen Augen vor ein Hinrichtungskommando treten musste, während mein Onkel auf der Flucht erschossen wurde.“
Lizzie erschauerte.
„Wie entsetzlich … Ihre arme Mutter.“
„Ich glaube nicht, dass sie es allzu schwer nahm. Meine Eltern waren nur ein paar Monate verheiratet – eine arrangierte Ehe, wie das bei den meisten Dynastien so üblich ist –, und bei meiner Geburt war die Junta bereits gestürzt.“
Lizzie graute vor dem, was er sagte.
„Dann haben Sie Ihren Vater nie kennengelernt?“
„Nein.“
„Und was passierte mit Ihrer Mutter?“
„Sie hat wieder geheiratet – einen Cousin, in den sie schon vorher verliebt war. Ich wuchs bei meinem Großvater auf.“
„Ihre Mutter hat Sie weggegeben?“
Ihr Mitgefühl, das mit jeder einsilbigen Antwort von ihm wuchs, begann, gigantische Ausmaße anzunehmen. Anders als er waren sie und ihre Schwestern von ihren Eltern immerhin geliebt worden und hatten Erinnerungen an eine wunderschöne Kindheit, auch wenn sie ihre Eltern viel zu früh verloren hatten. Was für ein Unterschied zu einer so kalten Kindheit, wie Ilios sie erlebt haben musste.
„Ihrer Meinung nach hatte meine Mutter ihre Pflicht erfüllt, indem sie meinen Vater geheiratet und ihm einen Sohn geboren hatte. Anschließend sah sie es als ihr gutes Recht an, dem Ruf ihres Herzens zu folgen, der aber nicht mich
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