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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Mann, dem seine Tochter mehr gegolten hatte als alles, hatte nur genickt und kühl gefragt:
    »Wann?«
    »So schnell als möglich.«
    »Du wirst nach Emmerich ziehen?«
    »Ja.«
    »Es ist schmerzlich, aber nicht zu ändern. Ich hätte nie gedacht, meine Tochter auf diese Art zu verlieren.«
    Das war ein Augenblick, wo Jutta bereit war, ihm alles entgegenzuschreien, was sie fühlte. »Du Heuchler!« hätte sie schreien können, »jahrzehntelang hast du eine Maske getragen! Keiner hat dich wirklich gekannt, wir alle nicht, Mutter nicht, ich nicht … du hast uns ein vollendetes Schauspiel vorgeführt, und wir haben es als Wahrheit aufgenommen! Nun sehe ich dich, und es ist schrecklich, sagen zu müssen: ›Das ist mein Vater! Er war mein Vorbild! Ihn habe ich verehrt!‹«
    Aber sie sprach es nicht aus. Sie sah Boltenstern nur an, mit den Augen eines traurigen Rehs, und der Rest Kindesliebe, den man nie verliert, blutete in ihrem Herzen und zehrte sie auf.
    »Sollen wir kapitulieren?« rief Werner Ritter. »Verdammt noch mal, man könnte zu einem anarchistischen Fanatiker werden, wenn man die Macht des Geldes so deutlich sieht.«
    »Es wird sich alles regeln, Werner.« Jutta legte ihre Hand begütigend auf den Arm Ritters. Blasse, kalte Finger, wie bei einem frierenden Kind. »Du mußt mir nur Zeit lassen, zu begreifen, daß ich keinen Vater mehr habe …«
    Es erwies sich also als völlig richtig, was Dr. Hollwäg als letzten Ausweg eingeschlagen hatte: das Schweigen.
    Weniger schweigsam dagegen war Major a.D. Ritter. Als Organisationsleiter des großen Divisionstreffens in Nürnberg hatte man ihm einen Schock versetzt, und das vierzehn Tage vor dem großen Aufmarsch.
    Die Nürnberger Behörden lehnten als Festplatz das Maifeld ab. Die Begründung war knapp: Bauarbeiten.
    »Das ist Schikane!« schrie Konrad Ritter und bekam seinen hellroten Kopf. »Das ist das beliebte In-den-Hintern-Treten der kleinen Scheißer, die sich als Götter vorkommen! Bauarbeiten! Nicht ein Maurer ist auf dem Platz! Aber da werde ich aufräumen! Jungs, da wird einmal deutsch gesprochen.«
    Konrad Ritter fuhr mit dem Zug nach Nürnberg. Erster Klasse, in einem FD-Zug. Hier hatte er sein Publikum, und schon hinter Bonn wußte sein Waggon, welche undeutsche, ja geradezu das Soldatentum verhöhnende Verfügung aus Nürnberg gekommen war.
    »Der Stolz der Nation ist wieder die Bundeswehr!« verkündete er. »Der Stolz Deutschlands war immer seine Armee! Von Arminius bis v. Hassel, ganz gleich, unter welchen Regierungen: Der deutsche Soldat tat immer seine Pflicht für Volk und Vaterland!«
    Jemand im Wagen sagte daraufhin »Heil!«, was Ritter zähneknirschend überhörte. Aber in Nürnberg fiel er beim Ordnungsamt ein wie die Attacke einer Schwadron.
    »Was soll das?« schrie er. »Man verweigert den alten Soldaten das Maifeld?! Wie alt sind Sie, mein Herr? Ich schätze Sie auf 26 Jahre! Als wir das Vaterland vor der roten Flut verteidigten, haben Sie noch mit Murmeln im Sand gespielt! Wie können Sie sich Urteile erlauben?! Die Männer, die in 14 Tagen hier durch Nürnberg marschieren werden, hatten schon ihre Eisernen Kreuze, ihre Deutschen Kreuze, ihre Ritterkreuze und Nahkampfspangen, als Sie noch nach der Mutterbrust tasteten! Und Sie wollen mir sagen, was deutsch und national ist? Haben Sie schon einmal Pulverdampf gerochen? Haben Sie die Stalinorgeln heulen hören? Die einzigen krachenden Geräusche, die Sie kennen, sind die auf dem Lokus!«
    Man ließ den Alten toben. Ein deutscher Beamter, und sei er noch so jung, hat bereits die abgeklärte Ruhe, die es ihm ermöglicht, seine Pensionsberechtigung 40 Jahre lang abzusitzen. Erst, als Major Ritter Luft holte, holte der junge Beamte ein Schreiben aus der Schublade.
    »Ich gebe Ihnen – obgleich ich das gar nicht darf – Kenntnis von einem Schreiben, das wir vom Innenministerium in Bonn erhielten. Dort ist man der Ansicht, daß ein Aufmarsch auf dem Maifeld zu viele Erinnerungen an die Aufmärsche im Dritten Reich wachrufen könnte. Man will alles vermeiden, was Reminiszenzen …«
    »Soll man es für möglich halten?!« brüllte Ritter. »Wir sind alte Soldaten, keine braune Horden! Über die ganze Welt verstreut liegen die Gräber unserer gefallenen Kameraden … vom Nordkap bis in die tunesische Wüste …«
    »Ist das meine Schuld?« fragte der junge Beamte. Konrad Ritter setzte sich erschüttert.
    »War ihr Vater Soldat?« fragte er heiser.
    »Natürlich. Feldwebel.« Der junge

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