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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hustete, als er aus den Rauchschwaden der Zigarre wieder heraus war, und verließ dann die Staatsanwaltschaft.
    Amtlich war Boltenstern gerettet.
    Aber das Schicksal kümmert sich nicht um amtliche Beschlüsse. Es hat seine eigene Meinung von den Dingen.
    Die Windstille vor der Katastrophe hielt an.
    Die beste Art, unangenehme Dinge zu überleben, ist das Schweigen.
    Früher dementierte man, verklagte den Störenfried, bemühte Anwälte und machte sich Kosten, es gab Skandale, die sich über Generationen hinzogen und ganze Sippen erfaßten, und es war doch alles so sinnlos, so dumm und so wenig psychologisch. Das änderte sich alles, nachdem die Verhaltensforschung ein wissenschaftlicher Zweig für sich wurde und eindrang in die intimsten Lebensbereiche. Erstaunt, ja geradezu verblüfft erkannte man, daß nichts besser und schneller eine unangenehme Situation bereinigt als tiefes Schweigen.
    Die ersten, die das erkannten, waren die Politiker. Das ist nicht verwunderlich, denn sie haben am meisten zu verschweigen. Außerdem praktizieren sie mit Erfolg die Grundregel des ›tötenden Schweigens‹. Nur der kommt aus dem Duell als Sieger heraus, der am längsten den Atem anhalten kann. Einmal schreit sich auch der hartnäckigste Gegner heiser, wird müde und mürbe. Der Schweiger behält seine Kraft. Und das Volk vergißt schnell. Das Erinnerungsvermögen der breiten Masse umfaßt oft nicht einmal den Rundlauf über ein Zifferblatt.
    Wen wundert es, daß Generaldirektor Dr. Hollwäg nach einer neuerlichen Aussprache mit Boltenstern und später auch mit Dr. Breuninghaus die Parole ausgab, die Artikel des Harry Muck zu ignorieren und totzuschweigen. Ja, mit der Macht seiner Industrie-Imperien holte er zu einem Gegenschlag aus, der Harry Muck zu einem kleinen kläffenden Köter werden ließ: Dr. Hollwäg gab ein Essen im ›Palmenhaus‹, und Fotoreporter knipsten Boltenstern, Petra Erlanger und die Großen der Industrie am Kalten Büfett, wie sie sich zuprosten als alte, gute Freunde.
    »Es ist zum Kotzen, Püppchen!« sagte Harry Muck, als er wieder mit Jutta Boltenstern zusammentraf, in einem kleinen Café in Kleve am Niederrhein. »Du kannst mit einem Taschenmesser nicht eine Burgmauer aufschlitzen! Was nützen mir die besten Informationen von dir, wenn meine Artikel zu Windeiern werden? Man lacht ja schon über mich. Der Muck, der gegen den Wind spuckt und sich selbst anrotzt, nennen sie mich schon! Der Chef hat mich kommen lassen und wurde zum Philosophen: ›Wenn wir der Gerechtigkeit dienen, muß die Gerechtigkeit auch bereit sein, gerecht zu sein‹, sagte er. ›Ist sie das? Zugegeben: Sie schreiben die Wahrheit! Wen interessiert sie? Glauben Sie, die Erde drehte sich besser um die Sonne, wenn Sie Boltenstern im Hemd dastehen lassen? Keineswegs. Aber wir verlieren die Anzeigen, der Verleger ist in der gleichen Partei wie Dr. Hollwäg, was schon Reibereien gegeben hat, der Oberstaatsanwalt ist ein alter Kamerad von Boltenstern, die Großmutter des alten Wollhagen und die Großmutter Hollwägs waren Schwestern … was wollen Sie noch, Muck?‹ –« Harry Muck holte tief Atem. »Das habe ich mich auch gefragt, Püppchen. Und ich weiß die Antwort: Ich lasse die Serie sterben.«
    »Sie kneifen also?« sagte Werner Ritter bitter. Er war von Emmerich zu diesem Treffen nach Kleve hinübergekommen. Auch was er gehört hatte in diesen Tagen, war wenig ermutigend. In Emmerich las man die Artikel nur am Rande. Nicht einmal beim Friseur sprach man darüber, ein Beweis, wie wenig man sich für einen Boltenstern interessierte. »Einmal muß doch einer nervös werden! Auch ein Bär wacht einmal auf, wenn er dauernd gezwickt wird.«
    Harry Muck hob die Schultern. In der Theorie sieht manches schön aus, und mancher Wein ist schon zu Essig geworden.
    »Es hat keinen Zweck mehr, Freunde!« sagte er bestimmt. »Sie sitzen am längeren Hebel! Ich kann nichts mehr für euch tun.«
    »Ich kann mich damit nicht abfinden!« Werner Ritter hieb auf den Tisch und sah in das bleiche Gesicht Juttas. Sie war in diesen wenigen Wochen wie zusammengefallen. Gegen den eigenen Vater zu stehen, in dieser Heimlichkeit, mit den Methoden der Heimtücke, hatte sie innerlich verzehrt. Der Bruch zwischen Vater und Tochter war offensichtlich geworden, als Boltenstern vor drei Tagen verlangt hatte, schon jetzt Petra Erlanger als Dame des Hauses zu betrachten.
    »Ich werde ausziehen!« hatte Jutta darauf gesagt. Und Boltenstern, der bisher liebende Vater,

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