Zum Sterben schoen
in Frage kam, sehnte sie sich danach, ihn zu berühren. Sie liebte ihn, Gott helfe ihr. Wieso hatte sie sich gestattet, so verletzlich zu sein? Sie hätte es kommen sehen sollen und etwas, irgendetwas dagegen tun sollen, um sich zu schützen. Jetzt war es zu spät. Wenn er sie verließ, würde er ihr das Herz brechen, und sie konnte nichts dagegen tun.
Zu wissen, welcher Schmerz vor ihr lag, änderte nichts daran, wie sie für ihn empfand. Eine Nacht, sagte sie sich. Das war alles, was sie je brauchte, aber sie wusste, dass Nick das nicht so sehen würde. Er würde es als einen Betrug an ihrem Bruder betrachten, und dennoch zog sie all die Argumente in Betracht, die sie vorbringen konnte, um ihn umzustimmen.
Sie waren erwachsen. Was zwischen ihnen passierte, ging keinen anderen etwas an.
Laurant wusste, wie Nicks Antwort auf dieses Argument lauten würde. Sie war Tommys kleine Schwester. Ende der Geschichte.
Laurant wusste, dass Nick sich etwas aus ihr machte. Aber liebte er sie? Sie hatte Angst zu fragen.
Nick kam in karierten Boxershorts aus dem Badezimmer. Er rieb sich das Haar mit einem Handtuch trocken, hielt aber inne, als er ihren finsteren Gesichtsausdruck sah. »Was ist los?«
»Nichts. Ich habe nur gerade nachgedacht …«
Er warf das Handtuch über einen Stuhl, ging dann zur Seite des anderen Bettes und zog die Bettdecke weg, während er fragte: »Über heute Nacht?«
»Nicht ganz.«
»Worüber hast du denn nachgedacht?«
»Glaub mir. Das willst du gar nicht wissen.«
»Aber sicher. Erzähl mir, worüber du nachgedacht hast«, drängte er, während er die Kopfkissen gegen das Kopfteil des Bettes stopfte und dann hinübergriff, um die Lampe auszuschalten.
»Na gut, ich sag’s. Ich habe mir überlegt, wie ich dich verführen könnte.«
Seine Hand befand sich auf halbem Weg zur Lampe, als er erstarrte. Sie konnte nicht fassen, dass sie so mit der Wahrheit herausgeplatzt war. Aber sie hatte sich auf diese Weise seine volle Aufmerksamkeit gesichert. Er verharrte völlig still, wie ein Hirsch im vollen Scheinwerferlicht, dann reckte er sich langsam und drehte sich um, um sie anzuglotzen.
Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Wäre es ihr nicht so peinlich gewesen, hätte sie laut gelacht. Nick war sprachlos. Offensichtlich wartete er auf ein Dementi oder eine Erklärung oder vielleicht sogar auf eine Pointe, aber sie wusste wirklich nicht, was sie ihm sagen sollte. Daher hob sie die Schultern zu einem Achselzucken, als wollte sie sagen, so ist es, ob du es glaubst oder nicht, nimm mich oder lass mich in Ruhe.
»Machst du Witze?« Seine Stimme klang heiser.
Sie schüttelte den Kopf. »Habe ich dich schockiert?«
Stirnrunzelnd wich er einen Schritt vom Bett zurück.
Offensichtlich glaubte er ihr nicht.
»Du hast mich gebeten, dir zu erzählen, worüber ich nachdachte.«
»Tja, also …«
»Es ist mir nicht peinlich.«
Ihr Gesicht hatte die Farbe des roten T-Shirts.
»Dazu gibt es auch keinen Grund«, stammelte er.
»Nick?«
»Was?«
»Wie denkst du über das, was ich dir gerade gesagt habe?«
Er antwortete ihr nicht. Sie stieß die Bettdecke beiseite und stand auf. Rasch wich er vor ihr zurück. Bevor sie auch nur mit der Wimper zucken konnte, hatte er das Zimmer halb durchquert.
»Ich habe nicht vor, dich anzugreifen.«
»Damit hast du verdammt Recht.«
Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Nick …«
Er schnitt ihr das Wort ab. »Bleib, wo du bist, Laurant.« Er drohte ihr mit dem Finger, als er ihr diesen Befehl erteilte, oder besser gesagt, zubrüllte. Und er wich immer weiter zurück, bis er gegen den Fernseher krachte, der zu Boden gestürzt wäre, wenn er nicht an der Wand festgedübelt gewesen wäre.
Es war ihr peinlich. Er benahm sich, als hätte er Angst vor ihr. So eine merkwürdige Reaktion hatte sie ganz bestimmt nicht vorhergesehen. Unglauben vielleicht, sogar Ärger. Aber Furcht? Bis zu diesem Moment hatte sie geglaubt, Nick hätte vor nichts Angst.
»Was ist los mit dir?«, flüsterte sie.
»Es kommt nicht in Frage. Das ist los mit mir. Jetzt hör auf, Laurant. Hör sofort auf.«
»Womit soll ich aufhören?«
»So verrückt zu reden.«
Zu verlegen, um ihm in die Augen zu schauen, senkte sie den Kopf und musterte die Linoleumfliesen. Es war zu spät, die Worte zurückzunehmen oder so zu tun, als hätte sie es nicht gesagt. Deshalb entschied sie sich, alles noch hundert Mal schlimmer zu machen und ihm alles zu sagen.
»Da ist noch etwas«, flüsterte
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