Zum Tee in Kaschmir
unterscheidet sich von Limone und Tamarinde durch seinen leicht rauchigen Beigeschmack. Noch unreife grüne Mangos, mit Koriander und grünen Chilischoten vermahlen, ergeben ein Chutney, das praktisch jedes Gericht abrundet. Für Mango-Pickles wiederum wird auch der Kern der Frucht mariniert. Es dauert Monate, bis er weich wird.
Die Moguln brachten ihre besondere Vorliebe für die Mango dadurch zum Ausdruck, dass sie sie in ihren Stoffmustern verewigten. Die in westlichen Kulturen auch als Paisleymuster bekannte stilisierte Mango entstand zuerst auf kaiserlichen Webstühlen nach den Anweisungen der Kaiserin Nur Dschahan, der einzigen Mogulherrscherin, deren Name auf Münzen geprägt wurde. Die herausragende Politikerin und überaus groÃzügige Kunstmäzenin war auch eine Mode-Ikone ihrer Zeit und gestaltete die Garderobe ihres Ehemannes und seiner Höflinge vollkommen neu. Dabei lieà sie sich von einer Schale mit Obst inspirieren, die vor ihr stand. Unter ihrer Anleitung experimentierten die Kunsthandwerker des Hofes dann mit der Form der Mango und kreierten schlieÃlich das längliche Paisleymuster. Mit Seidengarn und Goldfäden in Seiden- und Wollstoffe eingewebt, galt das Paisley schon sehr bald als ein klassisch orientalisches Muster. Jahrhunderte später übernahmen dann die Textilfabriken in England das auch heute noch sehr beliebte Motiv.
Seit jener ersten Stunde damals im Zug assoziiere ich Zugreisen mit Mangos. Ich saÃ, ein Buch im SchoÃ, auf dem begehrten Fensterplatz und aà die süÃen Früchte. Immer wenn ich eine Mango ausgesaugt hatte, lehnte ich mich aus dem offenen Fenster, ohne mich darum zu kümmern, dass der heftige Fahrtwind die Schleifen aus meinen geflochtenen Haaren zu reiÃen drohte, und warf den Kern in weitem Bogen in die Landschaft. Ich war fest davon überzeugt, dass die Gleise binnen weniger Tage von Mangobäumen gesäumt wären.
Mein Bruder Shahid hatte mit unglaublicher Geschwindigkeit gleich dreizehn Mangos vertilgt. Da er bekannterweise einen geradezu legendären Hang zum Rowdytum hatte, den er in Gegenwart meiner Eltern jedoch nur selten auslebte, fürchteten meine Schwester Mahjabin und ich, dass er seine Mangokerne als Wurfgeschosse missbrauchen könnte und suchten deshalb bei Lasoo Schutz. Dieser beendete daraufhin den Mangofestschmaus und erinnerte meinen Bruder daran, dass es bald Mittagessen geben würde. Unsere beiden Henkelmänner, stapelbare Behälter aus Metall, die mit gekochten Speisen gefüllt waren, standen schon bereit, auch wenn der Fruchtzucker, der in diesem Moment unsere Körper geradezu überschwemmte, unseren Appetit vorübergehend dämpfte.
Während eine abwechslungsreiche Landschaft am Zugfenster vorbeischoss und wir durch Bahnhöfe mit uns unbekannten Namen rasten, schweiften meine Gedanken ständig von der Geschichte der beiden kleinen englischen Schulmädchen ab, die ich gerade las. Wir waren noch viele Meilen von der Grand Trunk Road entfernt, aber ich sah schon jetzt immer wieder gespannt aus dem Fenster. Insgeheim hegte ich nämlich die vage Hoffnung, dass eine Mogulprozession mit Elefanten und tänzelnden Pferden am Horizont auftauchen würde und ich die Erste wäre, die sie entdeckte.
Als wir das Tischtuch über unseren behelfsmäÃigen, aus zwei Koffern bestehenden Esstisch gebreitet hatten, zeigte sich, wie wunderbar unsere Mutter für uns gesorgt hatte. In Safran gebratenes Huhn, das mit glänzenden Streifen gerösteter Zwiebeln belegt war, ein Berg von mit geklärter Butter durchtränkten Parathas, dazu Koriander-Chutney und ein Becher mit Gurken- und Tomatenstücken, mit Essig besprenkelt und grob gemahlenem schwarzen Pfeffer bestreut, all das war für uns wie Manna aus einem uns vertrauten Himmel. Als wir unser Mittagessen wie bei einem Picknick von emaillierten Tellern gegessen hatten, löste das Geräusch der mit der Präzision eines Metronoms ratternden Zugräder eine hypnotische Schläfrigkeit aus. Ich schlief ein und wachte erst wieder auf, als es schon zu dämmern begann. Die Dämmerung wich bald stockdunkler Nacht, so dass von der Landschaft drauÃen nichts mehr zu erkennen war. Und so führte die Grand Trunk Road ungesehen neben den Gleisen entlang, bis wir am nächsten Morgen unser Ziel erreichten.
Am Bahnhof winkte Lasoo einen wild dreinschauenden Taxifahrer herbei, der unsere Koffer auf der
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