Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)
Archivbilder flimmern über den Bildschirm. Analysen und Statistiken werden eingeblendet. Überall flitzen Reporter durch die Gegend und versuchen, professionell ihren Text abzuspulen. Das große Drama im kleinen Kasten! Und alle paar Minuten schieben sie einen verschreckten Passanten vor die Kamera, der das Unglück mit der Miene eines schwindsüchtigen Froschs aus seiner persönlichen Perspektive erzählen soll.
Zwei Drähte ... Das hört sich so banal an ...
Auf RTL zeigen sie gerade zum hundertsten Mal das Amateurvideo, das irgend so ein Kerl mit seiner Handykamera aufgenommen hat. Ich kenne es jetzt schon fast auswendig, aber die Aufnahmen schockieren mich immer wieder - vor allem die ersten Sekunden, in denen man ihn lachen hört.
Ich meine, der Freak steht da planlos in der Gegend rum und filmt ein dämliches Umspannwerk. Dass gleich die Katastrophe des Jahrhunderts passiert, ahnt er wahrscheinlich nicht mal. Er hat einfach Langeweile und macht mit seinem Smartphone einen auf Steven Spielberg.
Und Scheiße, er hätte verdammt gute Chancen, einen Oskar zu gewinnen!
Allein die Szene als über den Metallungetümen dieser Funkenregen aufsteigt ist schon preisverdächtig. Ein Spektakel wie an Sylvester. Erst sieht man diese Explosionen, die ähnlich einer gigantischen Wunderkerze in die Höhe zischen und wieder verpuffen. Dann ertönt ein gewaltiges Krachen. Stahl quietscht, das ganze Umspannwerk zittert, massive Konstruktionen fallen in sich zusammen, die Erde bebt und dann ...
Keine Ahnung, ob das, was danach geschah, die sogenannte typische Reaktion darstellt oder ob Gott einen schlechten Tag hatte, jedenfalls sammelte sich stetig Energie über der Anlage. Die Geräusche wurden diffuser und das Gewirr aus einzelnen Blitzen begann allmählich, zu verschmelzen. Erst träge, später immer schneller ballten sie sich zu einer Einheit.
Ich schätze, es zog sich letztendlich doch über knapp zehn Minuten hin, bis das Gebilde eine stabile Form bekam - aber beim ersten Mal, als ich es sah, erschien mir das Ganze kaum einen Wimpernschlag zu dauern. Im einen Moment ist da nichts außer blauem Licht und plötzlich hängt eine zischende, wabernde Kugel in der Luft. Eine riesige, schillernde Qualle, die sich aufpumpt und zusammenzieht.
Ich kann das Bild nicht anders beschreiben ... Dort über dem Umspannwerk schwebte eine Qualle aus Energie.
Der Anblick hatte direkt etwas Friedliches; als würde man sich eine Sendung von Jacques Cousteau anschauen. Das blasige Vieh schwamm einfach auf dem Fleck, pulsierte und atmete. Wartete. Lauerte. Genoss mit stoischer Geduld seinen Auftritt vor der Kamera und fraß sich träge voll. Bis es im Bruchteil von Sekunden den Himmel zerriss, in einem gleißenden Lichtkegel von innen nach außen explodierte und ohne seine Konturen zu sprengen, lospreschte.
Lebwohl Cousteau, willkommen Weißer Hai!
Mit bloßem Auge konnte man wenig ausmachen; dafür bewegte sich das Gebilde einfach zu schnell. Es kreuzte das Blickfeld, verschwand und hinterließ lediglich ein Flirren ähnlich Asphalt im Hochsommer.
In der Zeitlupe dagegen bot sich dem interessierten Beobachter ein wesentlich beeindruckenderes Schauspiel. Dort kroch es dahin, fräste eine unsichtbare Schneise durch die Stadt, wand sich mit seinem substanzlosen Körper behäbig über den Boden und tauchte immer wieder darin ein. Ein fast sexueller Akt - wenn auch einer von der ekelhaften Sorte.
Und falls jemand denken sollte, der Vergleich hinkt, so muss ich widersprechen, denn das Ding hinterließ nicht nur einen bleibenden Eindruck, sondern auch einen sehr speziellen Samen ...
Scheiße, das ist echt krank.
Erst haben sie von einem unbedeutenden Zwischenfall gesprochen. Es eine harmlose Entladung genannt und ständig versichert, dass die Energiewelle keine Auswirkungen auf die Gesundheit hätte. Witzig!
Später meinten sie, das Schlimmste wäre überstanden und im Umspannwerk sei wieder alles unter Krontrolle - trotzdem solle man vorsichtig sein, weil es gelegentlich wohl leichte Panikreaktionen in der Bevölkerung gäbe. Älteren Mitbürgern und Trägern von Herzschrittmachern riet man zudem, zeitnah einen Arzt aufzusuchen. » Sonst können wir Entwarnung geben.«
Die großen Sender zeigten sich geradezu enthusiastisch. An jeder Ecke wurden Pressekonferenzen abgehalten, die bereits bekannten Experten vor die Mattscheibe gezerrt und handgemalte Protestschilder in die Pampa gestreckt, die in kreativen Slogans einen
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