Zum weißen Elefanten
er war Jane noch nie so sympathisch gewesen wie jetzt.
»Katherine versucht Ihnen zu sagen, Jane, daß sie endlich ihren Vater gefunden hat. Oh, keinen unrechtmäßigen. Einen sehr guten und legitimen Vater. Morgen früh werde ich Ihnen die Papiere zeigen, die beweisen, daß sie meine Tochter ist.«
»Ihre — Ihre Tochter?«
»Ja. Es tut mir leid, daß ich mich verstellt habe. Es war nicht ganz fair Ihnen gegenüber. Sehen Sie, mein Name ist nicht Wilson, sondern Wilfrid Cunningham.«
Wilfrid Cunningham. Jane brauchte eine Weile, um zu begreifen. Seit Ewigkeiten hatte sie nicht mehr an ihn gedacht. Sie faßte sich an den Kopf und sagte langsam: »Aber das können Sie nicht sein. Sie sind tot.«
»Jane, aber Liebling, wie kannst du das sagen? Das ist grausam von dir. Ich habe schon eine Gänsehaut. Natürlich ist er nicht tot.«
Wilfrid Cunningham lachte und streichelte Katherines Hand. Dieses zur Schau getragene Eigentumsrecht überzeugte Jane mehr als seine Worte. Das war es, was sie in letzter Zeit an diesem Verhältnis so erstaunt hatte. Schnell kam ihr der Gedanke — wie lange hatte Kit davon gewußt? War sie wieder absichtlich im Dunkeln gehalten worden?
Diese Frage wurde nicht sofort beantwortet, denn Cunningham sagte: »Ich glaube, wir schulden Jane eine Erklärung. Können Sie um Mitternacht noch eine lange Geschichte vertragen, Jane?«
»Ich kann alles vertragen, wenn es nur einen Sinn ergibt.«
»Das kann ich Ihnen versprechen. Darf ich mich auf diesen Stuhl setzen? Kit kann das Fußende von Ihrem Bett nehmen.«
Seine völlige Selbstsicherheit machte Jane plötzlich ärgerlich. Wie konnte es dieser Fremde wagen, plötzlich in ihr Leben einzubrechen? Er hatte jahrelang seine Pflicht vernachlässigt, aber jetzt hatte er sich daran erinnert, daß er eine Tochter hatte und war gekommen, um seinen Anspruch geltend zu machen, nur weil Kit schön und präsentierbar war. Vielleicht, um sie Jane wegzunehmen. Aber das konnte nicht passieren. Das Band der jahrelangen Zuneigung würde doch bestimmt stärker sein?
»Sehen Sie«, begann Cunningham selbstverständlich, »ich wurde als >vermißt und totgeglaubt< erklärt. Ich war verletzt worden, hatte das Gedächtnis verloren und befand mich in einem Gefangenenlager, wahrscheinlich wäre ich wirklich besser tot gewesen. Aber das ist eine alte Geschichte. Als ich schließlich nach England zurückkam, stellte ich Nachforschungen an und fand heraus, daß die Frau, die sich von mir hatte scheiden lassen, umgekommen war, aber von einer Tochter erfuhr ich nichts. Wie Sie wissen, wurde das Kind nach der Scheidung geboren, und meine frühere Frau hatte sich gehütet, mir zu erzählen, daß ich Vater wurde. Das mache ich ihr nicht zum Vorwurf. Ich war ein unliebsamer Ehemann gewesen, und sie hatte nicht die geringste Absicht, ihr Baby mit mir zu teilen. Und dann kam kurz nach Kits Geburt die Nachricht von meinem wahrscheinlichen Tod, sie nahm wieder ihren Mädchennamen an und hat die ganze Episode zweifellos aus ihrem Leben gestrichen. Aber die arme Seele hat ihre Freiheit nicht lange genossen. Sie war eine schwierige Frau, aber sie hätte trotzdem ein besseres Schicksal verdient. Ich hatte jedoch mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun. So ging ich meiner Wege, verdiente mehr Geld und war viel zu vorsichtig, um in eine zweite Ehe zu schlittern.
»Oh, welch ein Segen«, rief Katherine. »Ich hätte es gehaßt, eine Stiefmutter zu haben.«
»Und sie hätte dich wahrscheinlich auch nicht gemocht, es sei denn, sie wäre eine einmalige Frau gewesen, aber dann, denkt Jane, hätte sie mich nicht geheiratet. Um dieser nächtlichen Geschichte ein Ende zu machen, vor einem Jahr habe ich zufällig erfahren, daß Truda ein Kind gehabt hatte. Wie? Weil ich eine Frau traf, die in London mit ihr gearbeitet hatte und ihre Geschichte kannte. Sobald ich es mit meinen Geschäften vereinbaren konnte, flog ich in dieses Land und begann mit meiner Suche, die, wie ihr wißt, beim >Weißen Elefanten< endete.«
»Aber das ist schon ewig her. Warum haben Sie es uns nicht gleich gesagt?«
»Das ist der beschämende Teil meiner Geschichte«, sagte Geoffrey und sah kein bißchen beschämt aus. »Ehrlich gesagt, ich wollte mich erst selbst überzeugen, herausfinden, wie meine Tochter war, was sie tat, ob wir glücklich zusammenleben könnten, und, wenn die Antwort positiv ausfiel, wollte ich versuchen, mich mit ihr anzufreunden, mich bei ihr beliebt zu machen und schließlich meinen Anspruch
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