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Zum weißen Elefanten

Zum weißen Elefanten

Titel: Zum weißen Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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polierte langsam und verträumt an einer Fensterbank herum und malte sich aus, wie sie mit dem neuen Anstrich aussehen würde. Plötzlich dröhnte eine Stimme unter ihr: »Meine liebe junge Dame, das ist aber ein nicht ganz ungefährlicher Platz.«
    Jane hätte sicher erwidert: »Und wegen Ihnen wäre ich beinahe runtergefallen«, denn Katherine klammerte sich schnell an der Fensterbank fest und blickte sich erschreckt um. Aber sie lächelte nur zauberhaft und fröhlich und antwortete: »Das ist so eine langweilige Arbeit. Finden Sie nicht auch, daß dieses Haus viel zu viele Fenster hat?«
    Das mußte Onkel George sein. Es war der Wagen, den Jane beschrieben hatte, und die Stimme klang ziemlich vertraut. Sofort war sie zum Angriff entschlossen. Ein Mann, noch dazu einer, der widerspenstig zu sein schien. Der mußte gewonnen werden. Wahrscheinlich würde er sehr hilfreich sein, wie alle Männer. Und welche Abwechslung mitten im Hausputz! Mit einer geschickten, anmutigen Bewegung ihrer langen Beine schwang sie sich nach innen, lehnte sich dann heraus und sagte: »Kommen Sie doch herein. Sie sind bestimmt Mr. Enderby, Tonys Onkel. Wir haben schon auf Ihren Besuch gewartet, um uns zu entschuldigen.« Hier machte sie eine Pause, denn ihr fiel ein, daß Jane absolut nicht diesen Wunsch hatte, und fuhr hastig fort: »Ich würde Ihnen so gerne zeigen, was wir hier vorhaben.«
    Erfüllt von eifriger Gastfreundschaft lief sie die Treppen hinunter. Noch nie hatte er ein hübscheres oder natürlicheres Mädchen gesehen. Schrecklich, wenn er dachte, wie falsch er diese schönen Beine beurteilt hatte. Er konnte sich nicht genug entschuldigen.
    Katherine lachte nur. »Es war doch unsere Schuld. Und warum hätten Sie nicht denken sollen, daß ich betrunken oder verrückt sein mußte, wo der Karren so mitten auf der Straße stand. Jane tut es auch leid — zumindest wird es ihr leid tun, wenn sie Ihre Bekanntschaft gemacht hat. Kommen Sie, gehen wir zu ihr. Sie hat gesagt, sie wollte heute morgen Matratzen umfüllen oder so was ähnliches.«
    Sie schlenderten den Pfad hinunter; Onkel George war völlig verzaubert, und Katherine fand ihn herrlich, wie die meisten Männer. Jane hörte in ihrem Stall nicht, wie sie näher kamen, denn sie hielt den Atem an und starrte in eine entfernte Ecke.
    Das Kapokhaar war ja schon schlimm genug, aber sie hatte das Gefühl, daß ihr dort noch etwas viel Schlimmeres auflauerte. Unter ein paar alten Säcken hörte sie ein Rascheln. Konnte es eine Ratte sein? Katherine, die solchen Greueln mit derselben Gelassenheit begegnete wie dem ganzen Leben überhaupt, hatte nebenbei erwähnt, daß eine dicke Ratte vor ein paar Tagen den Pfad hinuntergelaufen war. Jane konnte Ratten nicht ausstehen. Ihr Verstand sagte ihr, daß sie normalerweise harmlos waren, aber ihr Instinkt trieb sie schon beim leisesten Verdacht eines Annäherungsversuches auf einen Stuhl oder auf einen Tisch.
    Sie unterbrach ihre Arbeit und horchte angespannt. Wieder hörte sie das Rascheln, und aus einem Sackzipfel tauchten ein listiger Kopf und zwei scharfe blanke Augen auf. Jane starrte sie voller Entsetzen an und wagte nicht, sich zu bewegen. Ganz langsam wurde eine dicke, zerzauste Ratte sichtbar, die sich offenbar völlig zu Hause fühlte und keine Angst hatte.
    Jane stieß einen Angstschrei aus, ließ die Matratze, die sie gerade füllte, fallen und war nun in einen wahren Kapoksturm eingehüllt. Einen Meter war sie von der halbgeschlossenen Tür entfernt, aber sie erreichte sie in einem Satz und warf sich und mehrere Pfund Kapokhaar George Enderby an die Brust.
    »Eine Ratte«, keuchte sie und klammerte sich verzweifelt an ihn. »Eine große, dicke, graue Ratte.«
    Onkel George bewältigte die ganze Angelegenheit galant. Einen Augenblick hatte er fast das Gleichgewicht verloren. Er wußte, daß sein tadelloser Anzug mit Staub überzogen war; undeutlich sah er, daß dieses eigenartige Mädchen nur spärlich bekleidet war, aber er behielt einen kühlen Kopf. Während er sie mit einer Hand so weit wie möglich von sich fernhielt, klopfte er ihr mit der anderen auf den nackten Rücken. »Ist ja nichts passiert«, sagte er wie zu einer Dreijährigen. »Jetzt wird sie bestimmt weg sein. Sie tut Ihnen nichts.«
    Aber Jane war nicht zu beruhigen. Sie sah sich nach Katherine um, aber ihre Kusine, die sich von der Situation überfordert fühlte, hatte sich hinter einen breiten Rosenbusch zurückgezogen und brach nun in schallendes Gelächter

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