Zum weißen Elefanten
ihn zurück in sein Bettchen. Ganz anders als die anderen Frauen, die verrückt werden, wenn sie ein Baby sehen und einen Hund überhaupt nicht angucken.«
Nora selbst war eine äußerst normale Mutter und machte sich am meisten Sorgen darum, daß die »lieben Tiere« sich nicht zurückgesetzt fühlten. Sie beschuldigte Hugh, das beste Beispiel für einen kindischen Vater zu sein. »Aber du bist ausgesprochen kaltblütig«, widersprach er. »Kein Mensch kann glauben, daß es dein Kind ist. Dieser ganze Zauber mit den Tieren — und dabei sagt man, daß die Iren eine warmherzige und liebevolle Veranlagung haben.«
»Es wird viel Blödsinn über die irische Veranlagung geredet, und außerdem ist meine Mutter Schottin, und genau diese Seite zeigt sich in meiner Einstellung zu John. Ich bin nur irisch mit den Tieren, weil es ihnen nicht schadet. Jane hält mich für eine sehr gute Mutter, nicht wahr, Jane?«
»Diese weibliche Verschwörung ist verteufelt. Natürlich halten Jane und du immer zusammen.«
Diese Worte versetzten Jane einen Schlag. Nora und sie. Ihr ganzes Leben lang war es doch immer Kit und sie gewesen. Sie hatte es sich nicht einmal erlaubt, einen festen Freund zu haben. Kit war ihr ein und alles gewesen. Aber in der letzten Zeit hatte sich etwas geändert. Kenneth Rosman konnte daran nicht schuld sein. Kit hatte in der Stadt immer junge Männer gehabt. War es möglich, daß irgendwie unbewußt der >Weiße Elefant« zwischen sie getreten war? Diesen Gedanken wies sie als unsinnig zurück.
Dann erschien völlig unerwartet Tony wieder auf der Bildfläche. Eine ganze Zeitlang hatte er ihnen nur sehr oberflächliche Besuche abgestattet, aber eines Morgens, als Jane alleine war, kam er in die Küche und sah betrübt aus.
»Guten Morgen. Fein dich anzutreffen, Jane.«
»Warum eigentlich? Ich bin doch immer anzutreffen.«
»Sei nicht so bissig. Das meine ich ja gerade. Man kann immer sicher sein, dich zu finden, und du bist immer dieselbe.«
»Klingt schrecklich. Wie der Küchenherd — aber sogar der hat ab und zu seine Mucken. Du siehst auch nicht gerade lustig aus, Tony. Was ist passiert?« Mehr war gar nicht erforderlich, und schon kam die ganze Geschichte heraus. Es war dieses verflixte Mädchen in Condon. Sie waren alle gleich — nahmen alles an, erwarteten, daß man ihnen zu Füßen lag, und wenn man dann nicht mit einem Verlobungsring zur Sache kam — und wer wollte sich mit dreiundzwanzig schon binden? —, dann brannten sie mit dem erstbesten durch, der ihnen einen Antrag machte. Wie konnte Marilyn nur auf diesen Kerl ‘reinfallen, dem das Kino gehörte? Natürlich hatte er Geld, und sie war eine von denen, die sich eine Freikarte für jeden Film wünschten, aber er war mindestens vierzig und hatte schon eine Frau gehabt.
»Ist sie gestorben? Manche Mädchen finden Witwer besonders anziehend?«
»Absolut nicht. Sie hat sich aus dem Staub gemacht und ihn verlassen — wahrscheinlich zu Tode gelangweilt. Deshalb hat er sich scheiden lassen — das wär’s.«
Jane lachte. »Armer alter Tony. Ich glaube, du bist noch einmal gut davongekommen. Komm, wir machen uns eine Tasse Kaffee, und du kannst deiner Tante Jane alles erzählen.«
»Blödsinn, Tante; du bist keine Tante. Du bist jünger als ich.«
»Auf jeden Fall werde ich Patentante, und das macht älter.«
»Von Stevensons Baby vermutlich? Ist ein ganz netter Bengel, aber ich finde, die Patentante paßt nicht zu dir. Weißt du Jane, irgend etwas ist in den letzten Monaten mit dir geschehen. Natürlich wirst du nie wie Katherine aussehen, aber du bist hübsch. Lach nicht. Ich habe schon immer gefunden, daß du zu laut lachst, wenn dich irgend etwas plötzlich verwirrt.«
»Du solltest eben nicht so alberne Dinge sagen — und außerdem ist es meine Lache. Du mußt schon sehr traurig sein wegen Marilyn, wenn du mich sogar annehmbar findest. Sie war wirklich hübsch.«
»Das Aussehen geht nicht unter die Haut«, sagte Tony tiefsinnig und war dann verärgert, weil Jane fragte, ob ihm Onkel George diese Redeweise beigebracht habe.
»Du denkst nur so, weil du immer mit Katherine zusammengewesen bist. Du hast Minderwertigkeitskomplexe.«
»Ach du lieber Himmel, Minderwertigkeitskomplexe. Komplexe habe ich wirklich nicht. Es macht mir überhaupt nichts aus, nicht hübsch zu sein. Ich bin völlig zufrieden, die einfache Jane zu sein.«
Aber stimmte das? Hatte in letzter Zeit nicht irgend etwas an ihr genagt? Fühlte sie sich nicht
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