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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Tränen rannen in einem wahren Strom über seine Wangen, daß er bestimmt bald Salzflecken auf seinem schwarzen Wams haben würde. Er zitterte wie Espenlaub, und sein Gesicht war kalkweiß.
    Hanse blieb stehen und starrte ihn an. »Was hast du denn, Ath? Ich tu dir doch nichts, du Ausreißer von einem Kuhfladenfeuer. Athavul! Was hast du denn?«
    »O bitte, biiiitte, biiiihhhte, nein nein nein, o neiein, neiein ...«
    Athavul ließ sich jetzt vornüber auf den Boden fallen, daß sein knochiges Gesäß in die Höhe ragte. Er zitterte nun noch stärker, als ein ausgepeitschter, verhungernder Hund.
    Ein solches Tier hätte Hanses Mitleid erregt. Athavul aber fand er nur lächerlich. Am liebsten hätte er ihm einen Tritt versetzt. Er bemerkte, daß ein paar Leute aus dem Loch schauten, das immer noch Slys Schenke genannt wurde, obwohl Sly bereits vor zwei Jahren an Wassersucht gestorben war.
    »Ath? Hat sie dir etwas getan? He! Du kleines Stück Kamelkot - was hat sie dir getan ?«
    Bei dem wütenden Ton von Hanses Stimme schluchzte Athavul laut auf und rollte weinend gegen die Wand. Er ließ Flecken von Tränen, Speichel und eine bräunliche Lache zurück, weil sein Schließmuskel nicht mehr funktioniert hatte.
    Hanse schluckte. Zauberei! Dieser verdammte Enos Y ... Nein, das war nicht seine Handschrift. Ath wurde von unbeschreiblicher Furcht geschüttelt. Hanse hatte ihn immer schon für einen Schlappschwanz mit Spatzenhirn gehalten. Aber das - nicht einmal dieser geckenhafte Esel könnte von so grauenvoller Furcht besessen sein, wenn nicht irgend etwas Übersinnliches dahintersteckte. Allein sein Anblick jagte einem schon Angst ein. Hanse hatte das Bedürfnis, Ath zu treten oder zu schlagen, bloß damit er aufhörte, und das war gar nicht seine Art.
    Er warf einen Blick auf die einunddreißig Syresschnüre (jede einunddreißigmal geknotet), die Slys Schenke als Türvorhang dienten. Er sah sieben starrende Augäpfel, sechs Finger und mehrere nicht zusammengehörende Füße. Selbst im Labyrinth erregte Lärm Aufsehen - aber die Leute waren vernünftig genug, nicht herbeizulaufen und sich einzumischen.
    »PUHHHH!« brüllte Hanse, schnitt ein furchterregendes Gesicht, und machte einen Sprung auf die Tür zu. Dann rannte er an dem sich im Schmutz windenden, wimmernden Athavul vorbei zur nächsten Ecke. Dort blickte er die Straße der Gerüche entlang, Richtung Zeile. Er war sicher, daß er den roten Umhang sah, jetzt aus dieser Entfernung. Ja. Die Frau überquerte die Zeile, ging nordwärts, vorbei an den offenen Schuppen im Gerbergäßchen, fast bis zur Kreuzung Glibbergasse.
    Mehrere Leute kamen die Straße der Gerüche entlang.
    Sie gingen in die entgegengesetzte Richtung, an Hanse vorbei. Jedoch keiner sah ihn, obgleich er rannte. Er hörte, wie ein Paar sich über die Blinde im Kapuzenumhang mit dem weißen Stock unterhielt. Er überquerte die hellbeleuchtete Zeile, als der rote Umhang gerade die Dirnenkreuzung erreichte, an der die Gerberstraße in die Straße der Gerüche mündete. Hanse eilte an dem winzigen »Tempel« Thebas und mehreren kleinen Läden vorbei. Vor dem Eingang des noch winzigeren Tempels der Jungfrau Eshi (an die Jungfrau glaubten wenige) blieb er stehen und beobachtete, wie der Umhang nach links, also nach Nordwesten, abbog. Es war zweifellos eine Frau. Wollte sie zu den Häusern am Markt? Oder zu einem der kleinen Häuschen gegenüber?
    Oder war sie auf dem Weg zur Straße der Roten Laternen? Eine Frau, die vortäuschte blind zu sein, und die Athavul mit einem Zauber des Schreckens belegte, wie Hanse ihn noch nie erlebt hatte. Er mußte ihr folgen. Er konnte gar nicht anders.
    Es war nicht allein Neugier, die ihn die Frau beschatten ließ. Er wollte wissen, wer sie war. Vielleicht konnte er auch an einen so nützlichen Stock herankommen. Weiß, wie er war, sah er wirklich wie ein Blindenstock aus, aber wenn er ihn anstrich, wäre er ein Spazierstock für - Nachtschatten, oder für jemanden mit einem fetten Beutel, der ihn dann gegen Hanses Diebesbrüder einsetzen könnte.
    Wenn er auf sich selbst aufpassen konnte, sollten sie es ebenfalls.
    Hanse folgte ihr nicht - er rannte ihr voraus.
    Er rannte an der Glibbergasse vorbei und drückte sich in die Türöffnung eines Feigenhändlers, als zwei Mann von der Stadtwache vorüberkamen. Dann überquerte er zwei leere Grundstücke, einen Hinterhof voll Hundedreck, ließ ein Bedürfnishäuschen links liegen, bog um zwei mächtige Bäume und zwei

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