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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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hinein. Mit überstehenden Fersen, nur auf den Ballen, stöckelte ich in den Schuhen der Roten Müllerin hin und her, ich setzte ihre rote Lockenperücke auf, trat nackt auf den Balkon und ließ den Wind an meinen Gliedern und meiner Mähne zupfen.
    »Steht dir gut«, sagte eine Männerstimme. Sie kam vom dunklenNachbarbalkon. Ich hielt mir die Hände vor den Schoß, nackt in roten Pumps, ganz oben auf dem Tuntentower.
    »Das braucht dir nicht peinlich sein, King Michael«, sagte David. Ich sah im Dunkel nur seine glimmende Zigarette und brachte kein Wort heraus.
    »Nun zieh dir was an und komm rüber«, sagte er. »Oder komm einfach so, wie du bist. Höchste Zeit für einen Willkommenstrunk.« Er lachte rau. Aus seinem im Schatten der Nacht versteckten Mund klang sogar ein harmloses Wort wie »Willkommenstrunk« obszön.
    Schon Minuten später stand ich – selbstredend voll bekleidet – vor Davids Tür. Sie war nur angelehnt. Die Wohnung war verspiegelt wie der Fahrstuhl. Sie bestand aus einem einzigen riesigen Zimmer, mindestens doppelt so groß wie meines, in dem David offenbar lebte und arbeitete. Überall hingen Garderobenstangen, standen Garderobenständer mit Matrosenhemden, Blazern, Fräcken, Hosen. Auf dem Boden lagen kleine Kartons herum, an den Wänden hingen Modefotos von Jungen in Matrosenhemden. Genau in der Mitte des Zimmers befand sich ein riesiges rundes Bett aus schwarzem Leder. Unter dem Fenster stand eine Werkbank mit Schraubstock und weißen und blauen zugeschnittenen Stoffteilen.
    »Wieso Matrosenhemden?«
    »Früher wurden kleine Jungs gezwungen, so was anzuziehen, sonntags, beim Spaziergang mit den Eltern. Ich glaube, ich war der einzige kleine Junge auf der Welt, der das liebte. Dieser wunderschöne klassische blaue Marinekragen! Die weiche, frisch gestärkte Schlupfjacke! Die goldenen maritimen Knöpfe! Schau, ich nehme für den Kragen Organza, aber eine dreifache Lage, weiß abgesteppt. Und der Rumpf ist mit ägyptischer Mako-Baumwolle bedeckt. Der unschuldige Knabenkörper schimmert durch. Hier, fass mal an!«
    Angesteckt von Davids Begeisterung, berührte ich den glatten Stoff.
    »Man möchte es einfach auf der nackten Haut haben, was? Möchtest du eins anprobieren?«
    »Nein, danke!«
    »Aber sie sind sehr angesagt. Sie reißen sie mir aus den Händen.«
    Die Schwulen, dachte ich.
    »Ich mache auch Schmuck.« David zeigte auf eine kleine Werkbank, neben der ein Lötkolben lag. »Aber nur für Privatkunden.«
    Die Sargringe! Götz George! Der Geheimbund! Aber ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. »Machst du alles allein, oder hast du Angestellte?«, fragte ich.
    »Früher hatte ich Angestellte, heute mach ich fast alles selber. Ist mir lieber so«, sagte David, ging in die Küche und nahm aus dem Eisschrank zwei klirrend kalte Gläser, die er mit einer durchsichtigen Flüssigkeit füllte.
    »Finnischer Wodka«, sagte er, stieß sein Glas gegen meines und kippte seins auf ex. Ich nippte an meinem.
    »Früher hat dir Gritli geholfen.«
    David blickte in sein Glas. »Hat sie das erzählt?«
    »Ich hab es gegoogelt. Muss schlimm gewesen sein damals.«
    »Ich war sogar im Krankenhaus und habe dem armen Mädel Blumen gebracht.«
    »Ich weiß. Warum?«
    Die Distanz, die David schaffen wollte, indem er Gritli nicht beim Namen, sondern »das arme Mädel« nannte, auch sein Verhalten neulich auf dem Balkon, gaben mir das Gefühl, dass ihm die Sache noch zu schaffen machte.
    »Ich hab mich schuldig gefühlt, die Öffentlichkeit schrie nach Versöhnung.«
    »Warum bist du nicht weggezogen?«
    »Warum ist sie nicht weggezogen?«
    »Wie ist euer Verhältnis jetzt?«
    Er zuckte mit den Schultern und goss sein Glas wieder voll. »Guten Tag, guten Weg.«
    »Schaut sie dich vorwurfsvoll an?«
    »Die Krücken schauen mich vorwurfsvoll an.«
    »Die Vermieterin scheint auch nicht dein größter Fan zu sein.«
    David winkte ab. »Ach, die hasst Schwule! Ihr Mann ist schwul geworden, seitdem ist jeder Schwule ihr persönlicher Feind. Die hat schon ein paarmal versucht, mich rauszusetzen. No chance!«
    David leerte sein Glas, setzte sich auf das Lederbett und begann eine Zigarette zu drehen. Er leckte mehrere Zigarettenpapiere fast ganz nass – an seiner Zungenspitze funkelte ein Piercing – und klebte sie nach einer bestimmten Technik aneinander. Aus einem Stück Pappe formte er ein Mundstück, das er in die Papierrolle schob. Davids Zigarette sah anders aus als die selbstgedrehten, die ich zuvor

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