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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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berauschter, lustiger, redseliger. Ich erzählte von Mutter, von Big Ben, von Grimmelshausen. Ich plauderte meine Geheimnisse aus, Youporn, die Partnerschaftsanzeigen, der Rohrstock. Ich schwärmte von der Roten Müllerin wie ein Teenager. Ich erzählte vom Honigbuch und meinem Auftrag für Big Ben.
    Nie zuvor hatte ich so viel geplappert. David lag lächelnd da, den Kopf in die Hand gestützt, als wollte er mir zuhören bis zum Ende seiner Tage. Ich schilderte ihm die Fahrstuhlepisode mit Gritli. Er rollte sich vor Lachen hin und her, als ich die Pissflasche, die mit Gritlis Kopftuch verhüllte Kamera und die lustige Forelle erwähnte. Er rief, er danke Gott, dass nicht er mit Gritli im Fahrstuhl eingeschlossen gewesen sei. Gleichzeitig beneidete er mich um die Freundschaft mit ihr, um die Leichtigkeit, die es zwischen ihnen nicht mehr gebe. Ich fragte David, ob er mit der Roten Müllerin befreundet gewesen sei. Er nickte. Und ob er laute Beischlafgeräusche aus ihrer Wohnung gehört habe. Aber ja, rief er und lachte, oft. »Es sei denn, ich hab selber welche gemacht.«
    Ich fragte David nach seinem Lieblingsfilm (»The Sound of Music« – wir würden keine engen Freunde werden). Ich sagte, meiner sei »Rio Bravo« und stimmte »My Rifle My Pony and Me« an, das Lied, das Dean Martin und Ricky Nelson in »Rio Bravo« singen, während John Wayne, eine Tasse Kaffee in der Hand, lächelnd dasteht und an Angie Dickinson denkt, Mutters Lieblingsfilm.
    David sang mit, holte eine Gitarre und begleitete mich. Das Singen hatte mir gefehlt. Mit Mutter hatte ich oft gesungen, Weihnachtslieder, Volkslieder, Kirchenlieder. Vielleicht würden David und ich doch enge Freunde werden. Schließlich kippte ich um, lag flach auf Davids Bett, stützte dann ebenfalls meinen Kopf auf, ihm direktzugewandt, lobte erst seine muskulösen Oberarme und dann seinen Vornamen, der Geliebte, der Götterliebling, der alttestamentarische König.
    »Und du? Heißt du Michael wie der Erzengel? Michael, der Drachentöter? Wetten, ich kann dich hochheben?«
    David packte mich und hob mich über sich.
    »Du bist so hübsch mit deinem bleichen Antlitz, der Pomade im Haar, der Hornbrille. Du sieht aus wie jemand, der Thomas Mann das Herz gebrochen hätte. ›Verbrecher des Traums‹ hat er solche wie dich genannt. Wärst du zehn Jahre jünger, du hättest für Hugo Boss laufen können. Von des Gedankens Blässe angekränkelt, so ist die ganz neue Kampagne.«
    Er ließ mich wieder herunter. Wir kicherten. Fand er mich nun hübsch oder angekränkelt? Sah ich etwa gut aus? Nie zuvor hatte sich jemand diesbezüglich geäußert. Mutter hatte immer gesagt, ich ähnele Vater, und Vater war mir alles andere als hübsch vorgekommen. Er hatte, Mutters Worte, ein weiches, weibisches Gesicht gehabt. Ich schloss die Augen und versuchte, mich an Vaters Gesicht zu erinnern, aber immer wieder schob sich Mutters darüber. David und ich lagen jetzt einander zugewandt auf seinem Lederbett.
    »Hey, nicht einschlafen!«, rief David.
    »Weißt du, wie viel der David von Michaelangelo wiegt?«, sagte ich. »Sechs Tonnen! Sechs Tonnen mit Sockel!«
    Wir lachten wie besinnungslos, die wodkafeuchten Münder nah beieinander. Vermutlich hatte ich die Frage, die David nun stellte, selbst provoziert.
    »Hast du schon mal einen Mann geküsst?«
    Er wartete die Antwort gar nicht ab. Wie ein Dumdumgeschoss ging sein Kopf nach vorn, noch ehe ich es richtig kapiert hatte, seine halbgeöffneten Lippen drückten sich auf meine, saugten sich fest, seine Zunge fuhr in meinen Mund ...
    »Nein, David«, rief ich mit vollem Mund, »bitte. Das geht nicht!«
    Wir balgten, ich wischte mir den Mund ab, wandte das Gesicht weg und rief immerzu »Nein! Nein! Nein!«. Wobei ich sagen muss, ich war nicht unerregt. Die Tatsache, dass ein warmer, duftender Mensch nach mir griff, an mir saugte, war eine körperliche Sensation.
    »Warum denn nicht?«, rief David neckend. »Warum denn nicht?«
    Wenn das Frau Puvogel sähe! Der Gedanke an Frau Puvogel löste Panik in mir aus. Schon ihr zuliebe wäre ich nie im Leben schwul geworden. Ich hatte es ihr doch versprochen, hatte ich es nicht sogar bei Mutters Leben geschworen?
    »Du bist ein seltsames Früchtchen«, sagte David schließlich und ließ mich los. »Läufst in Pumps und Perücke herum und streust das Gerücht, du seist schwul.«
    »Ich habe nur Gritli gesagt, dass ich schwul bin. Eine Notlüge.«
    »Das arme Mädel«, sagte David wieder.
    Dann schwiegen

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