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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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nur er hat sie erobert. Ausgerechnet er, ein querschnittgelähmter Doktorand, mit blitzenden Augen und vollem Haar zwar, von rascher Auffassungsgabe und entwaffnendem Witz, aber physisch Lichtjahre entfernt vom idealen Verführer.
    Die Gräfin war sein Gesellenstück. Egal, wie wunderbar die Frauen sind, die Müller später treffen wird, egal, ob sie immerschöner, immer spektakulärer, immer prominenter, immer jünger werden, alle werden sie seine Gräfinnengeschichten anhören müssen. Ernestine hat ihn fürs Leben geprägt: ihre Diktion, ihr Urteil, ihre Weltsicht – unerreicht.
    Ernestine ist seine Lehrmeisterin, sein Guru. Sie hat die Zügel in der Hand. Sie lässt keine Zweifel an ihrer uneingeschränkten Herrschaft aufkommen. Er ist jung, blutjung, rasend ehrgeizig. Er neigt im Allgemeinen nicht zur Dankbarkeit, weiß Gott nicht, aber der Gräfin gegenüber empfindet er sie in hohem Maße. Sie hat ihn gemacht, sie hat seine Karriere, seine politische Haltung, sein Wesen geprägt. Sie hat ihn jung gesehen, stark, hungrig, mit gefletschten Zähnen und vollem Haar. Er hat sie zementiert. Idealisiert. Aphrodisiert. Sie ist die Urfrau, an ihrem Bild müssen sich alle messen. Er hat sie geliebt, als er jung war. Immer stärker hatte er sich im Verdacht, dass er sie damals geliebt hatte. Das rechnete er ihr hoch an, dass er damals jung war, ebenso, wie er es seinen jetzigen Geliebten verübelte, dass er alt wurde. Die Gräfin war seine Lehrmeisterin gewesen, in sexuellen, in philosophischen, in politischen Dingen. Ihre dahingeworfenen Bemerkungen begleiten ihn bis heute, sind immer gegenwärtig und fallen ihm auch dann noch ein, wenn alles andere wie fortgeblasen ist. Sie ist eine Portalfigur seines Daseins. Niemals wird er sie vergessen, niemals verraten, ihr hochmütiges Gesicht wird er sehen in der Stunde seines Todes.

ZUNGENKÜSSE MIT HYÄNEN
    »Aber schauen Sie, das interessiert doch keinen! Die Wahrheit interessiert nie jemanden. Schon gar nicht den Leser vom Mittagskurier . Was genau wollen Sie von mir, junger Mann?« Müller führte die linke Hand zum Ohr, als sei er schwerhörig.
    Ich räusperte mich. Ein Hilferuf an Gritli. Sie sprach, die Gute, und ich wiederholte jedes Wort: »Ich würde Sie gern begleiten, einfach in Ihrem Leben hospitieren. Sie leben wie immer, auf Termine nehmen Sie mich mit, wir unterhalten uns, ich mache Notizen. Danach ziehe ich mich zurück und schreibe die Geschichte genau so, wie ich will. Und dann lege ich Sie Ihnen vor, und wir entscheiden.«
    Müller hob die Augenbrauen, legte die Stirn in Querfalten, spreizte die Hände und betrachtete sorgenvoll seine arthritischen Fingergelenke. »Wie lange würde das dauern?«
    »Drei, vier Tage, eine Woche vielleicht.«
    »Sie sind sich im Klaren darüber, dass ich Ihnen damit ein unverdientes Geschenk machen würde?«
    »Ja!«
    »Ich würde im Übrigen auch dem Mittagskurier ein unverdientes Geschenk machen. Wobei man ja mit dieser Art von Presse gut zusammenarbeiten muss. Ich nenne das: Zungenküsse mit Hyänen.«
    Er lachte sein kurzes, zuschnappendes Lachen, wurde aber sofort wieder ernst. »Sie möchten mich also studieren?«
    »Ja.«
    »Sie wollen hinter das Geheimnis meines Erfolges kommen?« »Ja.«
    »Sie wollen in mir – na – herumgründeln?«
    Ich nickte bang, Müller nickte amüsiert zurück. Dann lehnte er sich nach hinten. Schließlich fragte er, langsam, jedes Wort betonend: »Und was hab ICH davon?«
    Die Frage konnte ich beantworten. Im »Wilden Schaf« gab es eine ähnliche Situation. Trintignant will eine mächtige Frau gewinnen, ihm Kontakte zu verschaffen, damit er schwerreich werden und viele Frauen haben kann. Sie fragt gelangweilt: »Und was hab ICH davon?«
    Und er antwortet ...
    »Nichts!«, sagte Gritli.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Nichts?«, fragte Müller und hob die Augenbrauen.
    Na also. Er war ein Spieler. So was musste ihm gefallen. Ich spürte, dass ich die Situation unter Kontrolle hatte. Mit Gritli gemeinsam war ich stark. Tatsächlich überlegte Müller, als hätte ich ihm ein durchaus akzeptables Angebot gemacht. Er wiegte den Kopf. Der Hund, mit dem die Mädchen anfangs im Garten gespielt hatten, ein riesiger Schäferhund, kam auf ihn zugelaufen und leckte ihm das Gesicht. Zeitgleich servierte Miss Marple eine Flasche Pellegrino und zwei Gläser.
    »Seit wann trinke ich Wasser?«, fragte Müller. »Bin ich ein Kamel?«
    »Ich nehme gern eins«, sagte ich, damit sich Miss Marple nicht gedemütigt

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