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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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fühlte. Ich leerte das Glas in einem Zug, doch mein Versuch, der alten Frau ein Lächeln zu entlocken, misslang.
    »Darf ich vorstellen?«, sagte Müller und packte den Hund zärtlich am Nacken. »Das ist Linda. Linda Lovelace.«
    »Linda ...?«
    Müller warf mir einen erstaunten Blick zu. »Linda Lovelace«, wiederholte er.
    Offenbar war besagte Linda eine Dame, die man kennen musste.
    »Warte, ich google das«, sagte Gritli in meinem Ohr.
    »Sie ist ein ausgebildeter Begleithund. Sie kann Türen öffnen, Zeitungen holen und die Alarmanlage auslösen. Und sie hat einen Kitzler im Schlund. Kleiner Scherz.«
    »Ach, DIE Linda Lovelace – «, sagte ich gedehnt.
    »Pornodarstellerin. ›Deep Throat‹«, sagte Gritli.
    »... aus ›Deep Throat‹!« Ich hatte einigermaßen Mühe, das Tie-Aitsch herauszubringen.
    Müller zeigte, von meinem Wissen erfreut, mit dem Finger auf mich. »Wie heißen Sie eigentlich, mein Junge?«
    »Rothe.«
    »Wie?«
    »Meikel!«
    »Ja! Meikel! Genau!« Müller schien sich jetzt zu freuen. Eine diebische Freude durchzuckte seinen Oberkörper. Er freute sich darüber, dass ich Meikel hieß, dass ich Linda Lovelace kannte, dass er sich gerade nicht langweilte. Möglicherweise verfolgte er auch einen eigenen, mir noch unbekannten Plan. Ich hatte mich unter dem Druck der Ereignisse aus Müllers Sessel erhoben, feierlich wie ein Versicherungsvertreter kurz vor dem Abschluss. Sein Blick ruhte nun wohlwollend auf mir. Die Sache schien für ihn nicht ohne Reiz.
    «Trennen Sie eigentlich auch den Müll?«, fragte er. »So als guter Mensch?«
    »Jeder trennt doch den Müll?«, fragte ich zurück.
    »Frau Niedel, trennen wir den Müll?«, rief Müller. Es schnaubte verächtlich aus der Küche.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Müller. »Ich stelle eine Bedingung.«
    »Eine Bedingung?«
    »Ich werde Sie im Gegenzug verderben.«
    Im Kopfhörer kicherte Gritli. Mir war nicht zum Lachen, aber nach kurzem Schreck schien mir Müllers Offerte mehr als fair. Irgendwer würde mich in allernächster Zeit ohnehin verderben, und lieber Müller als David. Strenggenommen brannte ich geradezu darauf, verdorben zu werden, warum sonst war ich nach Rizz gekommen? Außerdem konnte ich so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich würde meine Geschichte bekommen, vor Big Ben gut dastehen und obendrein ein richtiger Kerl werden, was ja längst überfällig war. Wenn nur Mutter nichts davon erführe.
    »Ab sofort«, sagte er.
    »Ab sofort?«
    »Sie bleiben hier. Sie stehen unter Arrest.« Müller reichte mir die Hand.
    »Ach du Scheiße«, rief Gritli in meinem Ohr.
    »Aber ich – ich muss nach Hause, ich hab gar nichts mit.«
    »Ab sofort«, wiederholte Müller streng, »oder gar nicht. Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Meikel.«
    »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, Meikel!«
    Ich ergriff Müllers Hand. Der Pakt war geschlossen.

IM BAUCH DES WALS
    Gürkchen, der wie ein Flaschengeist immer nur dann erschien, wenn Müller ihn rief, führte mich, stumm lächelnd, in ein Zimmer im oberen Stock des Hauses ab. Es war kurz nach vier am Nachmittag. Auf dem Bett fand ich einen originalverpackten gestreiften Schlafanzug, der meinem ähnelte, und eine originalverpackte Zahnbürste mittlerer Borstenstärke, die mich wehmütig an die verwaiste Zahnbürste der Müllerin denken ließ. Auf dem Schreibtisch lagen ein Spiralblock, Bleistifte, ein Anspitzer und ein Diktiergerät der alten Generation. Da hockte ich nun, wie Jonas im Bauch des Wals.
    »Hörst du mich? Hörst du mich?«, flüsterte ich in das Mikrophon an meiner Krawatte, aber es rauschte nur, Gritli war fort. Ich entkabelte mich und versuchte Gritli direkt anzurufen, aber sie war temporarily not available.
    Ich warf das Smartphone auf Müllers Gästebett, warf mich daneben und schrieb in meine Kladde. Jedes Detail, jeden Gedanken legte ich nieder. Auf den Block kritzelte ich Fragen, die ich Müller stellen wollte, und skizzierte das Strickmuster nach. Wie eine widerliche Krake starrte es mich an. Jeder hatte mit jedem zu tun.
    Was war passiert an jenem Abend in Müllers Haus, bevor Rübezahldie beiden leblosen Körper fand? Wer wusste mehr, als er sagte, wer hatte Beweismittel vernichtet, wer hielt Zeugen in Schach? Was wollte die Polizei vom Cellisten? Warum machte Müller keine Aussage? Was hatte Müller mit mir vor, war ich sein Gefangener, sein Experiment?
    Ich lag in Müllers Gästebett und sah meinen Gedanken beim Karussellfahren zu. Schlafen konnte ich nicht. Abends

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