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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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den Mittagskurier .«
    »Kannten Sie Felicitas Müller?«
    »Nein«, sagte Gritli. »Aber ich bin ihr Nachmieter«, fügte ich hinzu.
    »Idiot«, rief sie in meinem Ohr.
    Die Kommissare traten beiseite, tuschelten kurz und notierten sich meine Telefonnummer. Kramm zog ein Foto hervor und hielt es mir hin. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Als Kind hatte ich mit Mutter jeden Freitag »Derrick« geschaut, und die Wirklichkeit, die mir jetzt widerfuhr, schien einer Derrick-Folge entlehnt. Ging es bei der Kriminalpolizei wirklich so zu, oder hatte Oberinspektor Kramm als Kind auch jeden Freitag »Derrick« gesehen? Hatte er wie ich neben seiner Mutter auf dem Sofa gesessen, die kleine Hand vertraulich auf ihrem Oberschenkel? War er, dieser Prägung folgend, zur Mordkommission gegangen? Aber das war Unsinn, ich war ja auch nicht zur Mordkommission gegangen, ich hatte mich niemals auch nur mit dem Gedanken getragen, in Derricks Fußstapfen zu treten, allein wegen der schlechten Anzüge.
    Auf dem Foto war der Cellist zu sehen. Ich erschrak. »Wieso? Hat er etwas mit dem Tod von Felicitas Müller zu tun?«
    Kramm musterte mich interessiert. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Halt dein scheiß Maul«, rief Gritli in meinem Ohr, so laut, dass ich zusammenzuckte. Mein Herz schlug zum Zerspringen. In meinem Mund schmeckte es nach Seife. Wieso hielt ich nicht mein scheiß Maul, verdammt noch mal? Warum hatte ich ungefragt erzählt, dass ich der Nachmieter der Müllerin war? Wieso machte ich nicht einfach nur, was Gritli mir sagte?
    Die Polizisten verabschiedeten sich. Schon stand Miss Marple bereit, um sie zum Ausgang zu führen. Kaum waren sie weg, erwachte Müller aus seinem komatösen Zustand und brach in schallendes Gelächter aus, in das auch Teuben einfiel. »Guten Tag, mein Goldjunge!« Müller winkte mich heran und wies auf die Couch, auf der ich, zutiefst verwirrt, Platz nahm. »Wie geht es Ihnen?«
    »Gut, danke. Ihnen auch ...?«
    »Den Umständen entsprechend«, sagte er, mit seinem Smartphone beschäftigt. »Ich musste nur rasch die Polizei abwimmeln.« »Was wollten die denn?« Müller winkte ab.
    »Aber Sie treten doch wieder öffentlich auf. Sogar der Polizeipräsident war auf Dr. von Rubes Feier neulich. Ist denn nicht bekannt, dass Sie längst wieder vernehmungsfähig sind?«
    »Nicht, wenn keiner plaudert«, sagte Müller.
    Als er mein fragendes Gesicht sah, lachte er. »Böse Welt, was? Böse, böse Welt!«
    Er wandte sich dem Leibarzt zu. »Das wär’s, Teuben. Sie können Feierabend machen. Wo steckt Gürkchen? Ich brauch den mal!« Teuben empfahl sich.

KAMERASCHWENKBEREICH
    Dr. Dr. Wenzel Teuben geht ungern. Wann immer er Müller verlässt, tut er es mit einem gewissen Unbehagen. Es ist, als sei sein wichtigster Patient immer öfter nicht mehr Herr seiner selbst. Es wird immer aufwendiger, ihn bei Verstand zu halten. Er fordert die teuersten Medikamente, kultiviert seine Hypochondrie, und sein Namensgedächtnis, das niemals wirklich gut war, ist nur noch ein Trauerspiel. Aber nicht nur das: Seit seinem Sturz aus dem Rollstuhl ist er auch in finanziellen Dingen nicht mehr akkurat. Er begleicht seine Rechnungen nicht, verlässt Restaurants, ohne zu zahlen, plaudert Geheimnisse aus und vertut sich bei Kalkulationen schon mal um eine Kommastelle. Die Realität scheint ihm zu entgleiten, und Teuben weiß nur zu gut, was das bedeutet. Erst hat er gedacht, es liege an den Tabletten. Müllers Pillenkonsum übersteigt Teubens Empfehlungen inzwischen um ein Vielfaches. Er frisst Schlaftabletten, Potenzmittel, Antidepressiva wie das Schwein am Trog, er nimmt alle legalen und illegalen Drogen, und er steigert die Dosis permanent. Ein Wunder, dass er noch nicht tot ist. Teuben schaudert bei dem Gedanken an Müllers Tod, der vermutlich auch sein gesellschaftlicher Tod wäre. Noch schlimmer aber als Müllers Tod wäre, wenn er eine Indiskretion begänge, wenn er ihn, Teuben, verriete.
    Nach all den Jahren. Sie hatten so gute Zeiten. Rauschende Feste haben sie gefeiert, seit sie sich im Studentenwohnheim begegnet sind, der mickrige, kleine Medizinstudent und der frisch verunfallte Müller im Rollstuhl. Sie waren keine Freunde geworden, befreundet kann man mit Müller nicht sein, aber sie haben einen Bund geschmiedet, einen Männerbund fürs Leben. Teuben hat für Müller Rezepte geklaut – aus der Praxis seines Vaters, Müller hat Teuben nicht nur zu seiner Dissertation und seiner Habilitation verholfen, er hat ihm später auch

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