Zur freundlichen Erinnerung
schwarze Kutsche Michaels in scharfem Trab aus dem Dorf rollen, Greinau zu. Vorne auf dem Bock saß der Italiener mit finster gefaltetem Gesicht und schaute nicht nach links und nicht nach rechts.
An den darauffolgenden Tagen knarrten dann meistens schwerbeladene
Heufuhren auf der Greinauer Straße daher und fuhren durchs Hoftor
Michaels.
"Nette Wirtschaft!" brummten die Bauern: "Jeden Büschel Futter muß er kaufen!" Und halb war es Mißmut, halb Schadenfreude, was auf ihren Gesichtern stand. Die Ernten in dieser Gegend waren mehr als überreichlich. Die Aufkäufer, die aus der Stadt kamen, hatten es leicht und konnten anmaßend sein. Sie minderten die Preise, wo und wie immer es nur ging. Die Transportkosten his zum Bestimmungsort mußten die Bauern tragen. Es kostete stets einen ganzen Tag Zeit, wenn ein Dörfler seinen verkauften Hafer, sein Korn oder Heu nach Greinau auf den Bahnhof fuhr und dort in den Waggon lud. In die "Ferkelburg" aber, wie man Michaels Haus nannte, fuhren fremde Heuwagen!—
Michael war fast nie zu sehen. Er saß in seiner Turmkammer und sann. Grübelte, als warte er auf etwas. Gleichmäßig und ereignislos verlief die Zeit.
Durch irgendeinen findigen Kopf angeregt, war die ganze Dörflerherde um Greinau darauf gekommen, daß eine Eisenbahnlinie gerade in dieser Gegend notwendig sei. Eine Vereinigung bildete sich, wurde "Lokalverband der Eisenbahninteressenten" genannt. Eine Eingabe um die andere bestürmte das Ministerium. Die Regierung nahm endlich Kenntnis davon, der Landtag sprach sich befürwortend aus. Die Eisenbahnlinie wurde genehmigt.—
Michael verfolgte die Berichte im "Greinauer Wochenblatt" eifrig. Man sah ihn jetzt öfters am Gemeindekasten vor dem Bürgermeisterhaus stehen und die Anschläge lesen. Vom Söllingerhügel aus konnte man das ganze hingebreitete Land übersehen.
Da stand er auch.
Und nicht selten. Oft sogar lange.—
An jenem Tag, da die amtliche Bekanntmachung von der Genehmigung der Eisenbahnlinie angeschlagen war, wandte er sich behend, wie von einer verhaltenen Freude ergriffen, herum und überblickte die Weiten.
"Hm!—Jetzt!" stieß er plötzlich heraus, nickte etliche Male und ging zuversichtlicher von dannen.
Erst nachdem er in der Tür der Ferkelburg verschwunden war, trat der Bürgermeister aus seinem Haus und heftete die Bekanntmachung der großen Versammlung im Gasthaus "Zur Post" in Greinau in den Kasten.
Am darauffolgenden Sonntag war der Tanzsaal der Postwirtschaft zum
Bersten voll. Die Bauern aus der Ganzen Umgebung waren zusammengeströmt.
Die bejahende Entschließung der Regierung wurde bekanntgegeben. Die
ganze Versammlung brüllte und klatschte begeistert.
"Eine Bahn muß her!" erscholl von allen Seiten. Es gab schwere
Räusche.—
Schon nach einer knappen Woche erschienen die Vermessungsbeamten im
Dorf und wurden mit ehrwürdiger Neugier empfangen, durchschritten die
Felder, steckten weiß-rote Stangen auf, kamen immer näher an die
Häuser heran, zogen eine Linie durch Reinalthers Garten, über das
Gehöft Söllingers hinweg.—
Die Hände in den Hosentaschen, schweigend und gewichtig, sahen ihnen die Bauern erst zu.
"Also so ging's?" fragte der Gleimhans einen Vermesser.
"Jawohl, ganz so," erwiderte dieser und war schon wieder weiter.
"Hm!" brummte der Gleimhans, hob den Kopf und sah den Reinalther verwundert an.
"Müßt also mein halber Garten weg?" sagte dieser und sah den Geometern nach. Die entfernten sich mehr und mehr. Weiter ging es—über das Gehöft Söllingers hinweg.
"Hoi—Hoi! Da wär demnach das ganze Bürgermeisterhaus im Weg!" stieß jetzt der Reinalther fast entsetzt heraus und sah betroffen, mit offenem Maul, auf Gleimhans.
"Das wird sauber!—Gibt's nicht!" schrie dieser wütend und straffte seine Gestalt.
"Und—schau nur!—durch meine schönsten Gründ' gings'!" rief der Reinalther, als eben die Vermesser die Linie durch seine Weizenlande zogen, fäustete seine Hände drohend und polterte gleichfalls: "Gibt's nicht!"
Und auf der Stelle gingen die beiden zum Söllinger hinauf und erhoben lebhaften Einspruch gegen dieses Vermessen.
"Dein Haus soll weg! Dein Haus, Söllinger! Und unsere schönsten Gründ' wollen's!" schrie der Reinalther aufgebracht. Und der Gleimhans, der sich schon wieder ermannt hatte, sagte drohend: "Sollen kommen und mir durch meinen Acker bauen!"
Der Bürgermeister war wutrot his hinter die Ohren, schlug gewaltig in den Tisch und rief ebenfalls: "Gibt's nicht! Gleich morgen
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