Zur freundlichen Erinnerung
klang es erst. Allmählich erzeugte es nachdenkliche Gesichter und dann—dann sah man eines Tages den Reinalther aus der "Ferkelburg" herausgehen. Keiner fragte nach dem Grund dieses Besuches. Zwei-, dreimal wiederholte er sich und wieder einmal fuhr die schwarze Kutsche aus dem Tor der "Ferkelburg". Reinalther und Michael saßen hinten drinnen, der Italiener auf dem Bock. Es ging Greinau zu.
"Warum hast deine Alte nicht mitgenommen?" fragte Michael im
Dahinfahren.
"Brummt und brummt bloß! Hat keinen Verstand für so was!" antwortete der Bauer mit leichtem Ärger.
"Hat's doch schön jetzt! Kann sich in die Stub'n sitzen und privatisieren!" meinte Michael fast ermunternd.
"Freilich! Das hab ich ihr doch schon hundertmal gesagt! Aber sie meint halt immer: 'Der Feschl! Der Feschl—wenn er von der Fremd' kommt—könnt' eine schöne Metzgerei aufmachen und hat jetzt auf einmal keine Heimat mehr!" redete der Reinalther in die Luft, als spräche er mit sich selbst.
"Aber Geld hat er! Einen Batzen Geld!" erwiderte Michael darauf. Und der Bauer nickte: "Das mein' ich eben auch!"
Nachdem sie das Notariat verlassen hatten, lag auf Michaels Gesicht eine freudig erregte Farbe. Er lud den Reinalther sogar zu einem richtigen Schmaus ein und der wurde nach dem zweiten Krug schon gesprächig.
"Wären noch andere im Dorf, die ihr Zeug anbringen möchten, sag ich dir, Michl, brauchst dich bloß dranmachen," schwatzte er vertraulich über den Tisch.
"Brauchen bloß kommen,—alle nimm' ich!" gab ihm Michael zurück.
Über Reinalthers Gesicht huschte eine wohlige Röte. Offen und richtig freundschaftlich betrachtete er seinen ehemaligen Knecht.
"Weiß dich noch, wie'st mein Knecht warst, Michl," erzählte er, "hätt'st dir auch den Buckl krumm gearbeit', wenn dein Amerikaner nicht ins Gras 'bissen hätt'!"
Und Michael nickte und schloß mit einem: "Jaja, so ist's auf der Welt hie und da!" Dann fuhren sie wieder ins Dorf zurück.
Der Reinalther durfte in seinem Haus bleiben und saß von jetzt ab Tag für Tag beim Simon Lechl in der Wirtsstube. Oft kam er angeheitert nach Hause. Dann brummte sein Weib: "Wirst noch grad so wie der ersoffene Jürgert."
"Hab'ns doch, Alte! Hab'ns doch!" gröhlte dann der Bauer bierselig heraus.—
V.
Wie immer bei solchen Gelegenheiten, griff die Veränderung der Sachlage mehr und mehr in das Leben eines Teiles der Dörfler ein. Die Kleinhäusler fristeten hierzulande ein hartes Dasein. Ihre kärglichen Feldstreifen trugen wenig. Jeder von ihnen war gezwungen, zur Erntezeit und während des Winters, beim Holzen, bei den Bauern auf Taglohn zu arbeiten. Dieser Verdienst war, wie man sich auszudrücken pflegte, "zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel."
Diesen Leuten kam der Bahnbau gelegen. Es gab erträgliche Löhne dort.
"Da hab ich meinen Batzen Geld, basta!—Und brauch' nicht bitten und betteln bei den Bauern," äußerte sich der Fendt, dessen baufällige Hütte am Dorfausgang stand. "Ich bleib' überhaupt nicht mehr da," sagte der Rieminger, "ich verkauf mein Häusl dem Jürgertmichl und mach' eine Wäscherei auf in der Stadt. Da hab' ich auf niemand aufzupassen!"
Und so geschah's auch.
Kaum ein halbes Jahr rann him, da hatte Michael auch das Fendthäusl und den baufälligen Reishof gekauft. Die beiden Häusler bekamen eine saftige Summe und konnten in ihren Häusern bleiben. Michael verlangte nicht einmal Mietzins von ihnen. Das trug sich herum von Ohr zu Ohr. Mit einer gewissen Achtung sprach man davon.—
Der Bahnbau war in vollem Gange. Durch Gleimhansens Äcker trampelten die Arbeiter, dicht hinter dem Söllingergehöft, in den Weizenlanden wühlten sie den Kot aus der Erde. Mit verbissenen Gesichtern schauten die Bauern auf ihre verwüsteten Äcker. Viel Fremdvolk war unter den Arbeitern. Italiener und Böhmen. Es gab Einbrüche, nächtliche Raufereien und Messerstechereien.—
Die Söllingerin bekam die letzte Ölung. Nach einigen Tagen starb sie.
Das ganze Dorf und viele Bauern aus der Umgebung standen um das Grab.
Die Glocken trugen ihr Läuten durch die Luft.
Der Reinalther sagte beim Leichenschmaus im Wirtshaus zum Söllinger:
"Was hast' von dei'm Leben, Bürgermeister? Deine zwei Söhn' sind ja
doch schon städtisch, da will keiner mehr an die Mistgabel und an den
Pflug!"
Finster sah der Söllinger ins Leere und erwiderte kein Wort. Seine zwei Söhne, der Martin und der Joseph, saßen da und schwiegen gleichfalls. Zwei flotte Burschen waren sie, sahen gar nicht
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