Zur freundlichen Erinnerung
mehr bäurisch aus, studierten in der Stadt und hatten runde, selbstbewußte Gesichter, auf denen ein überheblicher Stolz glänzte.
Der Bürgermeister stand auf einmal auf und ging.
Es war Erntezeit. Die Straße führte an den ehemaligen Reinaltherfeldern vorbei und an der Breite des Ignatz Reis. Da arbeiteten die Knechte Michaels und der Italiener beaufsichtigte sie. Er war ein schweigsamer, finsterer Geselle mit unheimlich tiefglimmenden Augen. Wenn er wo auftauchte, griffen alle unwillkürlich hastiger zu. Der Söllinger blieb einen Augenblick stehen, biß die Zähne aufeinander und schlug, weitergehend, den Hirschgriffstock fester auf den Boden.—
Den Michael sah man jetzt tagsüber fast nie. Nur am Abend stelzte er üher den Söllingerhügel, blieb manchmal stehen und sah wie prüfend der Bahnlinie nach. Gebückt ging er. Er trug meistens einen breiten Mantel und hielt einen Stock in der Rechten.
Manchmal wenn ein Heimkehrender an ihm vorbeiging, lag ein verglommenes Lächeln auf seinen faltigen Zügen. Plötzlich aber verfinsterten sie sich, sein Kopf senkte sich und hastig trottete er weiter.
Einmal traf es sich, daß er dem Söllinger begegnete. Er blieb fest stehen und sah dem Bauern lauernd in die Augen. Es war gerade an der Stelle, wo der Bahndamm sich hob, nah' am Bachbrücklein.
"Grad' deine schönsten Äcker haben's hergenommen," sagte Michael.
"Hm!" nickte der Bürgermeister und wußte nicht, wo er hinschauensollte.
"Wirst alt jetzt, Söllinger! Gib's her, dein Anwesen!" begann Michael wieder.
Der Bauer schüttelte nur den Kopf störrisch und ging wortlos weiter. Aber dieses Mal sah Michael noch tief in der Nacht die Stubenfenster im Bürgermeisterhaus leuchten.
Einige Tage später geriet der Heustadel hinter dem Söllingerhof in
Brand und nur mit Mühe konnte die Feuerwehr das Überschlagen der
Flamme aufs Bauernhaus verhindern.
Der Italiener Rotti und der Böhme Zdrenka hatten es auf die
Bürgermeister-Magd abgesehen. In einer Nacht erstach der Böhme den
Italiener. Zwei Gendarmen von Greinau kamen. Unruhig wurde es im
Söllingerhaus.
Der Bürgermeister schlug wütend auf den Tisch: "Ich mag nicht mehr!" Und resolut rannte er zur Tür hinaus, geradewegs auf die "Ferkelburg" zu.
Michael empfing ihn freundlich und ruhig. Er bot eine Summe, daß der
Bauer seine Augen weit aufriß.
Der Handel kam zustande.
Der Söllinger gab sein Bürgermeisteramt auf und zog zum Schmied.
"Verkauf deine Kalupp'!" sagten jetzt jeden Abend der Reinalther und er in der Lechlstube zum griesgrämigen Gleimhans.
"Hast deine Ruh' und einen schönen Batzen Geld und der Michl läßt dich drinn, solang als du willst!" bekräftigte der Lechlwirt.
"Solang' ich leb, nicht!" gab der Gleimhans einsilbig zurück und schüttelte beharrlich den Kopf.—
Michael kaufte das Schmiedanwesen. Der Schmied zog in die Stadt.—
"Kauft das ganze Dorf," brummte der Gleimhans, "und hat uns zuletzt alle in der Mausfall'n!"
"Soll er, wenn's ihm gefällt!—Er kann sich's leisten, zahlt gut und ist nicht zuwider!—Läßt mit sich reden!" verteidigten der Wirt und der Reinalther den Herrn von der "Ferkelburg". Und dumpf nickte der Söllinger.—
Aber am nächsten Tag trat Michael ins Reinaltherhaus. Der Bauer empfing ihn aufgeräumt und freundlich, ohne jegliches Arg.
"Im Frühjahr müßt's raus! Hab' einen Pächter," sagte da auf einmal
Michael kurz.
Dem Bauern gab es einen Ruck. Er sah ihn groß an.
"Bringt aber sein Zeug schon übernächst's Monat!" sagte Michael wieder und wandte sich zum Gehen.
Der Reinalther wurde jäh bleich. Sein Kinn bebte. Seine Unterlippe rutschte etwas herunter.
Hilflos und bittend sah er auf Michael.
"Geht's gar nicht, daß wir die paar Kammern hinten kriegen könnten und bleiben dürfen!" brachte er kleinlaut heraus.
Michael schüttelte schweigend den Kopf.
"Gar nicht?"
Michael drehte sich um, sah ihn kalt an: "Könnt's ja am End zum Schmied einzieh'n. Obenauf sind noch drei Kammern. Nachher seid's mit'm Söllinger beieinand! Überleg' dir's und laß mir's wissen!"
Und ehe der Bauer etwas erwidern konnte, war er draußen.
Eine Weile stand der Reinalther wie besinnungslos da. Dann ging er zum
Lechlwirt hinüber.
Der Gleimhans und der Söllinger saßen da. Schüchtern und ganz von außen herum erkundigte sich Reinalther nach den Räumlichkeiten im Schmiedhaus.
"Mußt' raus?" fragte der Lechl.
Stumm nickte der Befragte.
"Ins Schmiedhaus?"
"Schier," erwiderte der Bauer und setzte hinzu:
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