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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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fahren wir zum Bezirksamtmann!"
    Als die beiden Bauern aus dem Bürgermeisterhaus traten, stand Michael am Rande des Hügelrückens und sah den Vermessern gespannt nach.
    "Hm,—der Michl!" brummte erstaunt der Reinalther.
    "Den freut's, weil's ihm keine Gründ' nehmen können!" stieß der
Gleimhans wütend heraus.—
    Das ganze Dorf war am nächsten Tag in Aufruhr. Man riß überall die weiß-roten Stangen heraus, zerbrach sie. In aller Frühe schon fuhren Söllinger, der Gleimhans und Reinalther nach Greinau zum Bezirksamtmann und verlangten schimpfend eine sofortige Regelung der Angelegenheit. Sie schrien, fluchten und drohten zuletzt auf das gefährlichste. Der Bezirksamtmann rannte erregt in seinem Arbeitszimmer auf und ab, gewann aber dann die Ruhe wieder und zuckte mit den Achseln: "Ja, meine Herren, wenn keiner durch seinen Acker die Linie laufen läßt, dann gibt es eben keine Bahnstrecke!"
    "Wir pfeifen auf eine!" riefen die drei Bauern zugleich.
    Der Bezirksamtmann machte ihnen klar, daß der Beschluß der Regierung nicht rückgängig gemacht werden könne, daß doch angemessen entschädigt werde und daß "die Herren der betreffenden Instanzen doch keine Kindsköpfe seien und doch—"
    "Das ist uns gleich! Die Bahn kommt nicht! So nicht!" fuhr ihm der
Söllinger ins Wort und vertrat starrköpfig den Standpunkt seiner
Begleiter.
    Schließlich nach langem Hin und Her wurde beschlossen, eine Versammlung der "Eisenbahninteressenten" einzuberufen.—
    Bis auf die Straße heraus standen am nächsten Sonntag die Bauern, die sich beim Postwirt in Greinau zusammengefunden hatten. Zeitweilig entstand ein gefährliches Gedränge nach der Saaltür. Furchtbar stürmisch ging es zu. Ein Regierungsvertreter war erschienen. Er wurde niedergeschrien, als er betonte, daß "wenn die Abgabe der Gründe nicht gutwillig geschähe, einfach abgeschätzt würde."
    Einfach abgeschätzt!—Einfach abgeschätzt!!! Was sollte denn das heißen?
Etwa gar, daß einem einfach die Äcker genommen würden!?
    Die Bauern wurden wild, standen auf, richteten sich drohend gegen die
Tribüne. Die auf der Straße Stehenden zwängten sich gewaltsam herein.
    "Gibt's nicht!" schrie der ganze Chorus. Ein ungeheurer Lärm erhob sich. Alles machte Miene anzugreifen. Der Bezirksamtmann fuchtelte völlig ratlos mit den Armen. Der Assessor schwang wehrlos die Glocke. Es half alles nichts. Der Lärm wurde nur noch ärger.
    "'naus!—'naus! 'naus aus unserm Gau!" brüllte der ganze Saal. Saftige Grobheiten flogen den Herren da droben an den Kopf.
    Als nichts mehr auf die tobende Schar einwirken konnte, schrie der Bezirksamtmann heiser: "Die Versammlung ist geschlossen!" und verschwand eiligst mit dem Herrn von der Regierung. Die rebellischen Bauern wurden allmählich wieder ruhiger, betranken sich weidlich und hielten die Sache für gewonnen.
    Ohne besonderen Zwischenfall verliefen die nächsten Tage.—
    In seinem Turmzimmer ging Michael auf und ab, blieb hie und da stehen, hob rasch den Kopf und lächelte schmal. Und früh am Morgen, him und wieder, schritt er üher die nebeligen Felder.—
    Inzwischen wurde der Bau der Eisenbahn im Landtag zum Beschluß erhoben.
Soweit ließ man sich noch ein, daß man Söllingers Haus umkreiste.
Dafür aber lief jetzt die Linie durch seine besten Getreideäcker.
Und war beschlossene Sache! Nächstes Frühjahr sollte die Strecke in
Angriff genommen werden.
    Beim Söllinger liefen die amtlichen Schriftstücke über die abzutretenden Grundstücke ein. Die Bauern standen vor den Anschlägen mit verbissenen Gesichtern, brummten und fluchten. Eine furchtbare Erbitterung hatte das ganze Dorf ergriffen. Aber es half alles nichts. Alles nichts!
    Und die Schätzpreise waren spottniedrig.
    Es gab kein Zurück mehr. Mißmutig fügten sich die Bauern.
    "Eine Bahn! Eine Bahn! hat alles geschrien!—Jetzt haben wir's!" polterte der Gleimhans beim Lechl; "ich hab's immer schon gesagt: es kommt nichts Besseres nach! Wo man mit der Regierung zu tun hat, ist Schwindel!"
    Und die anderen, die am Tisch saßen, sahen ihn finster an. Finster und besiegt, überlistet und ratlos.
    "Müssen ja doch! Hilft uns alles nichts!" brummte der Reinalther und spuckte wütend aus. Und manchmal sagte ein Verärgerter: "Ach was,—ich verkauf mein ganzes Zeug dem Jürgert und mach' ihm einen saftigen Preis! Dann kann der sich mit der Regierung herumstreiten!"
    Kaum einer—so schien es—hörte darauf. Aber dann wiederholte es sich des öfteren. Schüchtern

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