Zur freundlichen Erinnerung
bestrich.
"Hähähä—hä! Wird hoch der Turm, hoch!" keuchte er, reckte den Kopf störrisch vor, nahe an die Scheibe: "Wenn man ganz droben ist, müssen schon die Wolken angehen!"
Unschlüssig stand der Geistliche. Schwieg.
"Zum Söllinger kann ich hinunterschaun und aufs ganze Dorf!" redete
Michael weiter, ohne ihn zu achten.
"Die zwei Kirchenfenster?" fragte endlich der Geistliche fast schüchtern und hielt plötzlich mitten im Wort inne, als sich Michael nunmehr hastig umwandte.
"Zwei …?! Sechs! Sechs Fenster …—und neue Glocken, damit ich's hör' in der Früh!" überflügelte dieser ihn, "da muß die Luft zittern, wenn die läuten!—Schafft sie an! Morgen! Gleich! Gleich! Und drei neue Meßgewänder!—Müssen fertig sein zum Jahrtag meiner Mutter! Bestellt's! Bestellt's auch gleich!—Gleich!"
Wie von einem wilden Strudel dahergetragen stürzten die Worte heraus.—
Mit sehr ernstem Gesicht verließ der Pfarrer fast traumwandlerisch das Zimmer. Lange noch hörte ihn die Marie im Zimmer auf- und abgehen und laut beten.
Klare, kalte Märztage zeigten das hereinbrechende Frühjahr an.
Michael ging manchmal aus. Selten suchte er den Bau auf. Nie beschritt er ihn. Immer bog er scheu ums Dorf und stapfte auf die Sandgrube zu, aus der man den Kies für sein Haus holte. Es schien ihn dort etwas zu interessieren. Er stand meistens oben am Rand und überschaute die zackige Mulde.
Böhmen und Italiener arbeiteten auf Taglohn dort und sprengten hin und wieder einen Felsen, wenn an einer Stelle der Kies ausging.—
Eben lud man wieder. Michael war ganz nah herangekommen, stand wie witternd, mit spähendem, vorgebeugtem Kopf da und sah aufmerksam auf jede Bewegung des Lademeisters.
"Und das—das reißt alles ein?—Mit einem Krach?" fragte er diesen gespannt. Der Mann nickte und murmelte ein paar unverständliche Worte.
Dann entzündete er ein Streichholz und steckte die Zündschnur an.
Alles rannte aus der Grube, wartete bis es knallte.
Als dies geschehen war und die Leute wieder in die Grube zurückgingen, sah man Michael im Türrahmen des Werkmeisterhauses stehen. Er ließ sich das Pulver zeigen, rieb es merkwürdig lange auf seiner flachen Hand und sagte harmlos zum Werkmeister: "Und so ein Staub hat's drinnen, daß alles in die Luft fliegt?—Hm—hm—hm!" Ging wieder.—
Der Nachtwächter Peter Gsott glaubte bemerkt zu haben, daß eine männliche Gestalt am Rand der Sandgrube auftauchte, sich schwarz vom bleichen Mondhimmel abhob, dann aber plötzlich, wie in den Erdboden gesunken, verschwand.
Der Werkmeister schimpfte die Sprenger, daß sie soviel Pulver brauchten. Es entstand ein Streit. Ein Italiener brüllte, daß die ganze Grube hallte. Auf einmal kam man ins Handgemenge. Ein furchtbares Raufen entstand. Der Werkmeister bekam einen Schlag auf den Kopf und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Am ändern Tag verhafteten die Gendarmen von Greinau zwei Böhmen und einen Italiener, der beim Söllinger auf der Tenne logierte. Er hatte sich im Taubenschlag verkrochen und als man ihn herunterholte, stieß er furchtbare Drohungen auf den Bürgermeister aus, die aber niemand verstand. Anscheinend glaubte er, die Leute hätten ihn verraten.
Michael begegnete der Haftkolonne und sah sich die drei Burschen sehr genau an. Später trat er ins Bürgermeisterhaus und öffnete die Stubentür hastig. Der Söllinger war im Augenblick so erstaunt, daß er förmlich aufschrak und kein Wort fand. Säulenstarr stand er da und heftete seinen Blick auf den nähertretenden Michael. Gemessen kam dieser heran, ganz nahe und eine ungeheure Spannung lag in seinem Gang.
"Gibst dein Haus nicht her?" fragte er den stummen Bauern lauernd.
"Nicht?" wiederholte er, als der verneinte und maß ihn scharf von der
Brust bis zur Stirn.
"Ich …!?" fand endlich der Söllinger das Wort.
"Ja?"
"Solang ich leb' nicht!" schrie der Bürgermeister schroff, als wolle er sagen: "Was willst denn du auf einmal bei mir?"
"Es paßt mir nicht vor meinem Turm," sagte Michael tonlos und spröde und lächelte höhnisch in sich hinein. Draußen, vor der Tür, hörte er noch den Schlag der Söllingerfaust auf die Tischplatte.
III.
Richtig, der eine von den Böhmen lud damals den Felsen, erinnerte sich Michael. Und der Italiener, der aus Söllingers Taubenschlag geholt worden war, stand neben ihm, als es krachte. Dem konnte man nichts nachweisen und mußte ihn nach vier Tagen wieder aus dem Amtsgerichtsgefängnis entlassen. Nun strolchte
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