Zur freundlichen Erinnerung
"Hat einen Pächter fürs
Frühjahr."
Gleimhansens Augen glänzten listig. Er hob den Kopf und lächelte schadenfroh.
"Vom Schmiedhaus ist gar nicht mehr weit ins Gemeindehaus!" warf er boshaft him.
Der Söllinger rückte sein Gesicht empor.
"Ja—!" sagte der Gleimhans, ihn messend, "samt eurem Geld jagt er
Euch in die Mausfall'n, wenn's ihm paßt!"
Die beiden anderen Bauern saßen dumpf da und starrten schweigend ins
Leere. Der eine erhob sich, und der andere. Und beide gingen ohne ein
Wort.—
VI.
Wiederholte Male hatte Michael zum Gleimhans geschickt. Er selbst kam, der Italiener kam, die Magd kam. Es half alles nichts. Der Bauer gab sein Anwesen nicht her.
"Wenn nochmal einer kommt, kann er seine Knochen vor der Tür zusammenkratzen!" brüllte er das letztemal wild. Es kam keiner mehr.
Michael hatte nach und nach das ganze Dorf aufgekauft. Die Gehöfte und Häuser lagen brach und still da. Die ehemaligen Besitzer waren entweder fortgezogen, gestorben oder arbeiteten gegen Taglohn auf der Bahnstrecke. Die Grundstücke wurden von den Ferkelburgleuten beackert, bebaut und bewirtschaftet.
Im ehemaligen Reishof logierte eine Hausiererin und führte einen Kramladen. In den sonstigen Häusern wohnten Arbeiter oder auch die früheren Besitzer, gingen in der Frühe heraus und abends hinein. Die Mauern bröckelten ab, die Gärten verwahrlosten, alles lag verödet und ruinenhaft da.
Michael selbst saß den ganzen Tag in seinem Turmzimmer, üher die
Protokolle und Urkunden gebeugt, die er beim jedesmaligen Kauf eines
Anwesens vom Notariat ausgehändigt bekam. Nur der Italiener und die
Magd, die ihm das Essen brachte, sahen ihn. Alt und verfallen sah er
aus. Zusammengeschrumpft war seine Gestalt.
Nachts, wenn der Mond silbern üher die Talmulde glitt, stand er am
Turmfenster und überschaute seinen Besitz. Dann glomm manchmal in
seinen Augen etwas wie Triumph. Nur wenn sein Blick auf das
Gleim-Anwesen fiel, wurde es finster auf seinem Gesicht.—
Aus der Erde brach der Frühling. Die Magd kam zum Reinalther und brachte die Botschaft, der Bauer solle sich zum Ausziehen bereitmachen.
"Jaja, in Gott's Nam'! Sagt's nur, ich will ins Schmiedhaus!" gab ihr der Bauer als Antwort mit in die "Ferkelburg".
Am selben Tag trottete Michael eilsam auf den Kramladen zu und verschwand scheu in dessen Tür. Die Krämerin schrak förmlich zusammen, als er so dastand.
Aus einem grauenhaft gelben Gesicht starrten verkohlte Augen auf sie.
"Gib mir zwei Kalbstrick, Irlingerin, aber gute!" sagte Michael kurz.
Die Krämerin legte einen Packen Stricke hin.
Michael prüfte sorgfältig einen um den andern.
"Die!" stieß er hastig heraus, warf das Geld him und nahm zwei
Stricke.
"Tragen denn gleich zwei Küh' diesmal?" fragte die Krämerin endlich.
Aber Michael nickte nur und ging. Eilig stelzte er durchs Dorf.
Als er die Tür seines Turmzimmers zuschloß, zog er die Stricke aus seiner Brusttasche, prüfte sie nochmal und legte sie in den Schrank, schloß ab. Offenbar befriedigt atmete er auf, trat an den Schreibtisch und las wieder die Urkunden.—
Gegen Abend kam der Pfarrer, der lange nicht mehr dagewesen war, in die Ferkelburg. Mißtrauisch und etwas verwirrt empfing ihn Michael.
"Das Kloster Sankt Marien möchte den Söllingerhof, Michl?" sagte nach einer Weile Schweigens der Geistliche.
Michael schüttelte den Kopf.
"Ist nicht recht, daß alles so tot daliegt, Michl!" ermahnte der Pfarrer.
"So?" sagte Michael hartnäckig, und seine Falten zuckten fast höhnisch.
"Wirst ein alter Mann, Michl! Was tust mit den vielen Häusern!" murmelte der Geistliche hilfloser.
"G'richt halten!" stieß Michael gedämpft heraus und heftete seine Blicke funkelnd auf den Pfarrer. Der stand beklommen da und atmete schwer.
"Unser Herrgott wird dir Dank wissen, Michl!" fand er endlich das Wort wieder und erinnerte abermals an den Söllingerhof.
"Steht zu arg in der Sonn'", murmelte Michael noch leiser und unheimlich heraus, "und wirft mir den ganzen Schatten in die unteren Stuben!"
Er stand gespannt da, bewegte sich nicht. Der Geistliche wurde plötzlich blaß, als er das eingeschrumpfte, gelbe Gesicht im matten Licht sah.
Jetzt funkelten Michaels Augen wieder und seine Lippen gingen auf und zu:
"Hat einmal meinem Vater gehört, nicht?! … Und der Söllinger hat es ihm abgekauft, nicht?! … Und—der Gleimhans hat ihm Geld 'geben. —Vieh hat er dazumal geschachert, der Söllinger, nicht?! Und-und hat's meinem Vater langsam
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