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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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abgekauft—langsam, nicht?! … War ja ein Hüttl, damals—nicht!?—"
    Er hielt inne. Der Pfarrer stand wortlos da.
    "Und nachher hat er das Saufen angefangen, mein Vater, nicht?!" keuchte Michael fortfahrend heraus: "Und dann haben's meine Mutter ins Gemeindehaus, und—und nachher haben sie sie auslogiert—ist gestorben, weil unsere Kuh krepiert ist! Hat's nicht mehr erleben können … nicht!?"—
    Jetzt stockte er plötzlich, hielt die Worte zurück und erbleichte.
Wieder bohrte er seine mißtrauischen Blicke in das Gesicht des
Pfarrers. Eine Unruhe fieberte auf seinen Falten.
    Auf einmal, ohne des Pfarrers zu achten, stieß er heraus: "So dunkel ist's da unterm Turm wie im Gemeindehaus bei meiner Mutter dazumal….!?"—
    "Michl!" rief der Pfarrer nur mehr. Dann ging er.—
    Michael stand eine Zeitlang in der gleichen Haltung da, dann zuckte er erschreckt zusammen und brach in seinen Lehnstuhl.
    Später rief er den Italiener. Es war schon Nacht draußen. Er steckte die Kerze an und zog die dichte Gardine vor.
    "Hast immer geladen in der Sandgrube, nicht?" fragte er den Italiener.
    Der nickte.
    "Bist krank, Guisepp'! Mußt Ruh' haben," redete Michael gut auf ihn ein und ließ ihn nicht aus den Augen.
    Guiseppe stand verlegen und verständnislos da.
    "Das Söllingerhaus da drüben, Guisepp', das soll dir gehören, wenn'st —wenn'st nochmal sprengst, bloß mehr dies einzige Mal!" sagte Michael aschfahl und öffnete seinen Schreibtisch, legte drei Pulversäcke aufs Pult.
    Der Italiener starrte ihn groß und schweigend an.
    Als dies Michael bemerkte, sprudelte er fast bittend und hastig heraus: "Haben dich nie erwischt, Guisepp', nie! Hast dich immer rausgemacht—wirst's auch diesmal fertigbringen!"—
    Und dann setzte er ihm den Plan auseinander.
    Mitten im Gespräch horchte er jäh auf. Fern aus dem Dorf hörte man Wagengeknatter und "Hü"-Rufe. Der Gleimhans fuhr die Habe Reinalthers ins Schmiedhaus.
    "Geh!" sagte Michael hastig zum Italiener. Mechanisch verließ dieser das Zimmer.—
    Bis tief in die Nacht hinein schleppten der Gleimhans, der Söllinger und die Reinalther-Eheleute die Möbel in die wackeligen Kammern im ersten Stock des Schmiedhauses.
    Es war eine windige, unruhige, stockdunkle Nacht. Manchmal trug eine
Windwelle Laute und abgerissene Sätze herüber zur "Ferkelburg".
    Michael ging zitternd im Turm auf und ab. Auf und ab. Von Zeit zu Zeit neigte er sich über den Schreibtisch und schrieb noch ein Wort oder einen Satz auf einen aufgeschlagenen Bogen Papier.
    Jetzt riß der Wind die Schläge der Kirchturmuhr auseinander. Michael tappte ans Fenster, hob die Gardine ganz schmal beiseite und band den Strick an den Fenstergriff.
    Und sah scharf und spähend ins Dunkel hinaus.
    Da krachte es furchtbar. Ein riesiger Feuerklumpen brach in der Gegend des Schmiedhauses schleudernd in die Schwärze der Nacht.—
    Und um die runde Anhöhe hetzte eine lange Gestalt auf die Ferkelburg zu.
    Michael faßte den Strick und legte seinen Hals in die Schlinge. Dann brach er ins Knie und hob seine ineinandergerungenen Hände zur Höhe. Sank.—
    Mit jener grauenhaften Blässe, die oft jäh von furchtbarer Ahnung Erschütterte befällt, sagte der Pfarrer am andern Tag vor der Leiche des Erhängten: "Alle Dinge sind eitel!" Und hob den Blick gen Himmel.
    Auf dem Schreibtisch lag ein Testament, das Guiseppe die ganzen
Besitzungen und Hinterlassenschaften Michaels zuerkannte.—

EIN DUMMER MENSCH
I.
    Seltsam sind Menschenwege. Kalt ist der Winter, heiß der Sommer, die Zeit läuft weg und Alter und Verbitterung hocken in den Knochen, eh' man sich richtig umsieht. Und schließlich—was ist's gewesen, wenn man nachdenkt?—
    Misere, Misere, Misere!
    Zufall ist alles—und nichts.—
    Vor zweieinhalb Monaten noch—hol der Teufel diese kalten, widerwärtig regnerischen Herbsttage!—trottete Adam Högl verdrießlich durch die dumpfen Straßen, überlas ein um das anderemal die Karte des Arbeitsamtes, die ihm anbefahl, daß er sich beim Kranenwerk als Erdarbeiter zu melden hätte, zerknüllte sie ebensooft in der Tasche und trat gedankenlos in die Kneipe der engagementslosen Artisten "Zur wilden Rosa."
    Widerlich, wie er jetzt auf einmal noch quälender die kalte Nässe an seinen Gliedern herabrieseln fühlte! Und ausgerechnet mußte noch dazu die selbstspielende Geige unausgesetzt kratzen, daß es durch Mark und Bein ging!
    Die rauchige Luft war zum Schneiden dick hier und ein Lärm herrschte an allen Tischen wie auf

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