Zur freundlichen Erinnerung
einem Jahrmarkt.
Knirschend und ohne sich um die geschwätzige Gesellschaft zu kümmern, ließ sich der Eingetretene auf einen Stuhl fallen und schwang seinen patschnassen Hut ein paarmal derart wütend him und her, daß die herausgepeitschten Tropfen wie aus einem Weihwasserpinsel herumflogen.
"Pilsner oder Most?" schrie der Kellner üher die Köpfe hinweg.
"Pilsner!" brummte Högl finster zurück und machte sich breit. "Hoho!" murrte jemand beinahe drohend am Tisch, und ärgerliche Gesichter hoben sich. Auf einmal rief eine bekannte Stimme: "Mensch! Högl!" und Adam Högl sah verwundert auf.
"Högl! Mensch! Adam!" schrie es abermals und ein Herr mit rundem, lachendem Gesicht tauchte an der anderen Tischseite auf, beugte sich behend in die gedrängten Leute: "Erinnerst du dich? Krull, vierte Kompagnie, Zimmer achtundzwanzig!? Bauchreden!" Adam Högl faltete schnell die Stirn.
Ja, es stimmte: Im Zimmer achtundzwanzig der vierten Kompagnie lag er neben Ferdinand Krull und betrieb als Liebhaberei die gelegentlich erlernte Kunst des Bauchredens. Er entsann sich ganz deutlich, und unwillkürlich, fast von selbst entquollen ihm einige Laute. Er saß gerade aufgerichtet da, mitten im plötzlich verstummten Kreis der Gesichter, mit geschlossenem Mund—nur der herausgedrückte Punkt seines Halses bewegte sich etwas auf und ab—und tief unten in seinem Bauch redete es.
"Mensch, du kannst noch!? Komm sofort mit! Du wirst meine beste Nummer!" jubelte jetzt der ehemalige Barkellner Ferdinand Krull, und ehe die verblüffte Schar sich's richtig versah, trabten die beiden eilsamen Schrittes aus der Kneipe, stiegen in das bereitstehende Auto und weg waren sie.—
Am selben Abend schon stand Adam Högl auf der grell beleuchteten, geräumigen Bühne des Krullschen "Paradies-Kasinos" und johlte seine Bauchstimmen-Witze in das bunte, glänzende Publikum, das sich allabendlich hier zusammenfand.
Flüchtig zurechtgemacht, im zu großen, faltigen Frack des beleibteren Krull, mit viel zu weitem Kragen, der sich wie ein schmaler weißer Kummet um seinen dürren, langen Hals wand, in einer karierten, schnürenden Weste, einer billigen gestreiften Hose und den quälend drückenden Lackschuhen des Wirtes—so stand Adam Högl, eine beachtete, wichtig gewordene Einzelperson,—wie aus einer tiefen sumpfigen Finsternis plötzlich auf einen strahlenden, weithin sichtbaren Gipfel gehoben—inmitten der sorglosen, großen, prächtigen Welt.
Musik fiel ein, säuselte süße, schmeichelnde Melodien durch den Raum, tuschte, brach ab—der Vorhang peitschte in die Höhe. Vereinzeltes Stühlerücken noch, leise verschwingendes Gläserklirren und andächtige Stille minutenlang. Adam Högl riß die Augen weit auf. In der blauüberleuchteten, abgedämpften Zuschauergruft tauchten puppige Herrenrücken auf, kühngekleidete Damen, ebenmäßige, gepflegte, wunderbar abgetönte Gesichter und lange, glitzernd beringte Hände mit Elfenbeinfarbene Nacken bogen sich waghalsig.
Herausfordernde, runde, nackte Arme bewegten sich lässig undentblößte, leicht gerötete Brüste hoben und senkten sich wie weiche, märchenseltsame Lichtflächen, die ein fächelnder Wind arglos um schwirrte.—
Mit Gewalt mußte Adam Högl an sich halten. Der Atem stand ihm still.
Schweiß war auf seiner Stirn. Mühsam preßte er endlich die ersten
Laute heraus.
Es räkelte.
Sein Herz klopfte auf einmal wie im Galopp. Mit ganzer Kraft straffte er sich, gröhlte unbeholfen den ersten Witz heraus, begann ohne Zwischenpause den zweiten.
Es räkelte schon wieder. Seine Knie begannen zu schlottern. Er biß die Zähne fest aufeinander, preßte—preßte die Laute, die auf der Kehle saßen, wieder zurück, hinunter in den Bauch und hatte endlich den zweiten Witz.
Das Räkeln verstärkte sich, verflachte zu einer allgemeinen Bewegung. Schon drohte er umzufallen—da brach ein berstender, frenetischer Jubel üher ihn her, ein Gelächter wie aus einer vielstimmigen Riesentrompete, ein betäubendes Klatschen, als sei hoch auf einem Berge die Schleuse eines gehemmten Flusses mit einem Male jäh aufgerissen worden und die ganze Wasserlast falle sausend in die Tiefe.
Er war gerettet.
Er atmete auf, hielt inne, ließ den Jubel verrauschen und jetzt floß sein ganzer Mut und Witz berückend sicher aus ihm heraus, hinab in die Gruft und wieder zurück an seine schweißnasse Brust wie verhundertfachter, brausender Dank.
Er hatte gesiegt.
Einen solchen aus allen Geleisen geratenen
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