Zurueck Aus Afrika
Knecht Rupprecht. Ich bin sicher, wenn sie erwachsen ist, wird sie ihren Vater besuchen wollen. Unsere Nikolausfeier geht dem Ende entgegen und wir räumen die Hütte gemeinsam auf. Napirai trägt auf dem Nachhauseweg stolz ihr Säcklein, das mit Nüssen, Lebkuchen und Schokolade gefüllt ist.
Einige Tage später erhalte ich einen Brief von James, in dem er berichtet, dass es allen einigermaßen gut geht. Aber seit fast einem Jahr hat es nicht mehr geregnet und Menschen und Tiere leiden Hunger. Wegen der Dürre sind schon viele gestorben. Es wächst kein Gras mehr und deshalb verenden die Kühe und die Menschen haben keine Milch, die für sie ein Hauptnahrungsmittel ist. Seiner Familie geht es aber auf Grund der finanziellen Hilfe, die sie durch mich und meinen Bruder Marc erfahren, wesentlich besser. Er bedankt sich nochmals überschwänglich und grüßt uns von der ganzen Familie. Über meine Anfrage wegen des Familienstammbuches schreibt er nichts und so weiß ich nicht, ob sich unsere Briefe gekreuzt haben oder ob mein Brief verloren gegangen ist. Ich werde noch etwas abwarten. Von Lketinga wisse er immer noch nichts, doch nach Mombasa möchte er nicht fahren. Er werde mich informieren, sobald er etwas Neues höre. Über die kommende Weihnachtszeit sei er für zwei Monate zu Hause und feiere wieder eine größere Zeremonie. Dafür müsse er noch eine Kuh kaufen, habe aber kein Geld. Er hoffe auch in diesem Fall auf meine Unterstützung.
Weihnachten feiern wir bei meiner Mutter und Hanspeter. Auch diesmal häufen sich die Geschenke für meine Tochter und mich plagt ein schlechtes Gewissen angesichts der Not und Dürre auf der anderen Seite der Erde.
Zu Silvester hat uns die Vorsitzende der Gruppe für allein Erziehende zu sich nach Hause eingeladen. Alle bringen wieder etwas mit: Salate, Pizza, Kuchen, Fleisch, Wein oder Champagner. Schließlich sind wir etwa dreizehn Erwachsene und doppelt so viele Kinder jeden Alters. Wir essen vom herrlichen Buffet und tanzen anschließend in der schön dekorierten Wohnung. Nach zehn Uhr haben wir immer noch so viel Essen übrig, dass wir überlegen, was zu tun ist. Da kommt die Idee auf, bei einer Radiostation anzurufen und eine entsprechende Meldung durchzugeben. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelingt es einer von uns, zum Sender durchzukommen. Sie erzählt kurz von unserem Fest, dass wir dreizehn Frauen sind und auf viel Essbarem sitzen geblieben sind. Mitbringen müsse man nur gute Laune. Die Kinder werden nicht erwähnt. Kurz darauf klingelt ununterbrochen das Telefon und es melden sich reihenweise einsame Männer oder gar Männergruppen. Denen, die sich nett anhören, teilen wir die Adresse mit, aber nach etwa zehn Minuten nehmen wir keine weiteren Anrufe mehr entgegen, die Wohnung würde sonst aus allen Nähten platzen. Es dauert nicht lange und die ersten Besucher melden sich an der Wohnungstür. Die älteren Kinder stürmen zur Tür, um zu öffnen. Die Besucher entschuldigen sich und meinen, am falschen Ort geklingelt zu haben. Doch die Kinder, gut »dressiert«, sagen: »Nein, nein, kommt nur rein. Unsere Mütter sitzen oder tanzen im Wohnzimmer.« Alle werden so empfangen. Die einen sind erstaunt und bleiben trotz der Kinder da. Andere verabschieden sich gleich an der Tür. Um Mitternacht sitzen acht Männer herum und lassen sich geduldig von den Kindern Hüte und Pappnasen aufsetzen, die zuvor aus dem Tischfeuerwerk geplatzt sind. Gegen zwei Uhr nachts machen allerdings auch die aufgewecktesten Kinder schlapp und so beenden wir das außergewöhnliche und lustige Silvesterfest.
Zu Hause lege ich die schlafende Napirai ins Bett und sinniere über mein vergangenes Jahr. Es hat sich so viel verändert, aber ich fühle mich glücklich. Ich sitze in einer gemütlichen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung und empfinde sie auch nach fast einem Jahr als riesengroß im Vergleich zu meinen vorherigen Behausungen. Noch heute betrachte ich manchmal den Kühlschrank eine ganze Weile, bevor ich mir etwas Essbares heraushole. Einfach so, aus Achtung und Respekt. Ja, wir haben es geschafft und ich danke dem lieben Gott für alles, was mir im vergangenen Jahr widerfahren ist, und bin gespannt, wie das kommende Jahr 1992 wird.
Gleich zu Beginn des Jahres habe ich einen Untersuchungstermin bei meinem Hausarzt. Ich muss meine Blut- und Leberwerte kontrollieren lassen. Der Arzt, der meine Geschichte vom ersten Besuch her kennt, ist überrascht, wie gut erholt ich nach diesem Jahr
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