Zurueck Aus Afrika
auch die Kinder von Markus kennen gelernt. Nach anfänglicher Schüchternheit sind sie durch Napirais nie versiegenden Spieldrang immer entspannter geworden und bald schon spielen die drei Mädchen miteinander, als würden sie sich bereits eine Ewigkeit kennen. Mein Büro wird zu einem Gästezimmer umfunktioniert und so freuen wir uns alle auf den nächsten Besuch der beiden. Wir unternehmen viel zusammen und ich genieße mein unglaubliches Glück und bedanke mich täglich mit leisen Gebeten. Nach zwei Monaten habe ich das Gefühl, als seien wir schon seit Jahren zusammen. Natürlich hat das auch mit unserer gemeinsamen Schulzeit zu tun, über die wir mit viel Spaß stundenlang reden können. Wenn ich Lesungen in der Nähe von Zürich abhalte, treffen wir uns anschließend in der Stadt und schlendern verliebt und schmusend wie zwei Teenager durch die Gassen. Egal was andere davon halten, für solche Gefühle braucht man sich, vor allem nach so langer Entbehrung, nicht zu schämen, auch wenn ich dabei des öfteren erkannt werde. Mir ist es gleichgültig. Ich bin 39 Jahre alt und habe die Verantwortung für mich selber zu tragen.
Im Mai bin ich viel unterwegs oder absolviere Pressetermine. Überall sind die Säle voll und das Echo ist enorm groß. Allein bei den Weidener Literaturtagen verbringe ich sechs Tage. Es ist für mich ziemlich aufregend, mich unter »gestandenen« Schriftstellern zu bewegen oder auf Plakaten und in Prospekten zusammen mit bekannten Literaten abgebildet zu sein. Im Gegensatz zu vielen anderen, die sich freudig begrüßen, kenne ich keinen der Autoren persönlich. Viele haben schon einige Bücher veröffentlicht und sind nicht wie ich Autorin nur eines Werkes. Am Tag meiner Kurzlesung bin ich leicht nervös. Gemeinsam mit vier anderen Autoren und Autorinnen sitze ich auf der Bühne. Jeder liest ein kleines Stück aus seinem Buch vor. Erleichtert kann ich an der Reaktion des Publikums erkennen, dass mein Beitrag gut ankommt.
Zu Hause erwartet mich erneut eine Flut von Briefen. Andere gelangen direkt in den Verlag. Die ersten zirka 500 Schreiben beantworte ich noch einzeln handschriftlich, doch irgendwann schaffe ich es nicht mehr, die immer größer werdende Menge zu bewältigen, weil fast jeder Brief mit zusätzlichen Fragen verbunden ist.
Viele Schülerinnen und Schüler wählen mein Buch für Abschlussarbeiten oder Vorträge und bitten mich um Unterstützung und mehr Informationen. Diese Briefe oder Mails versuche ich immer zu beantworten, da ich selber in diesem Alter niemals den Mut hatte, einer »öffentlichen« Person zu schreiben.
Anfang Juni feiern Markus und ich zum ersten Mal gemeinsam unseren Geburtstag. Weil seiner nur zwei Tage nach meinem stattfindet, feiern wir in der Mitte. Wir laden all unsere Freunde ein. Es wird ein fröhliches Fest, an dem viele meiner Freundinnen mir zu unserem Glück gratulieren und meinen: »Corinne, so haben wir dich in den letzten neun Jahren noch nie erlebt!« Die letzten Gäste verlassen die Wohnung erst gegen Morgen.
Es folgen schöne Wochen, verbunden mit viel Arbeit, die mir nach wie vor großen Spaß macht, und wenig Freizeit, die aber intensiv gelebt wird.
Am 10. Juli 1999 fliegt mein Verleger in Begleitung eines Freundes nach Nairobi. Neben zahlreichen Fotos von Napirai und meiner Familie befindet sich in seinem Gepäck auch eine Kassette, auf die jeder Einzelne meiner Familie, einschließlich Napirai, englische Mitteilungen für James und vor allem für Lketinga und die Mama gesprochen hat. In Nairobi werden sie von Jutta und ihrem Begleiter abgeholt. Sie hat in den vergangenen Wochen alles perfekt vorbereitet. Schon im Vorfeld hat sie meine kenianische Familie in Maralal besucht und sich die Mühe gemacht, über mehrere Tage hinweg für James und Lketinga das ganze Buch in Suaheli zu übersetzen, damit sie den Inhalt endlich kennen und sich dadurch selbst ein Urteil bilden können.
Gemeinsam fliegt die kleine Gruppe mit dem Flugzeug nach Maralal, da die Zeit nicht ausreicht, die beschwerliche Zweitagesreise mit dem Bus zu machen. In der vereinbarten Samburu Lodge treffen mein Verleger und sein Begleiter James und Lketinga. Während James gleich aufgeschlossen reagiert, beobachtet Lketinga zunächst die Fremden etwas finster und misstrauisch. Erst als er die Grüße von der Kassette aus dem in Nairobi gekauften Radiorecorder hört, wird auch er lebhafter, freundlicher und natürlich auch nachdenklich. Während er den Stimmen lauscht,
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