Zurueck Aus Afrika
schaut er versunken auf die vor ihm liegenden Bilder und das Buch. Für alle Anwesenden ist dies ein bewegender Moment.
Staunen breitet sich aus über die zahlreichen Zeitungsartikel und die neueren Fotos, die viele Fragen auslösen. Stundenlang wird diskutiert, erzählt, berichtet, und James und Lketinga versichern, stolz auf das Buch zu sein, gegen das sie keine Einwendungen haben.
Am nächsten Tag wollen sie die »Mzungus« zur Mama bringen, die immer noch in der Nähe von Maralal lebt. Die Fahrt im Pick-up geht durch unwegsames Gelände in die Berge, in denen sie und ein Teil der Familie jetzt leben. Auch Mama Masulani empfängt die ihr fremden Weißen würdevoll und zurückhaltend mit verschlossenem Gesicht, während ihr Sohn James die als Geschenke mitgebrachten Vorräte an Zucker, Maismehl, Getränken und Tabak in ihrer Manyatta verstaut. Als er ihr aber die neue bunte Wolldecke über die Schultern legt und ihr die Fotos von Napirai zeigt, lächelt sie erstmals freundlich.
Beim Betreten der einfachen Hütten ist mein Verleger von der spartanischen Kargheit der fensterlosen winzigen Behausungen, in denen die Feuerstellen beißenden Rauch verbreiten, sehr berührt. Auch sieht er die Armut der hier lebenden Menschen, die wegen der anhaltenden Kämpfe immer noch nicht in ihr angestammtes Gebiet in Barsaloi zurückkehren können und nur wenig Vieh besitzen. Spontan entschließt er sich deshalb, für die Familie auf dem Markt auch einige Ziegen zu kaufen. Für James und Lketinga werden auf der Bank in Maralal Konten eingerichtet, um auf diese monatlich Geld überweisen zu können.
Am Tag des Abschieds laden die beiden »Mzungus« alle Anwesenden zu einem Essen in Maralal ein. Es kommen natürlich nur die Männer, aber es sind immerhin zirka fünfzehn Personen an einem langen hölzernen Tisch. Der Verleger, damals noch strenger Vegetarier, wundert sich nicht wenig über die aufgetischten Fleischberge, von denen bald nur noch kleine Knochenhügel übrig sind. Nach einem anschließenden Rundgang über den farbigen Markt, umringt von Scharen lebhafter neugieriger Kinder, müssen die beiden Weißen die Rückreise antreten.
Als mein Verleger und sein Begleiter, beeindruckt von ihren Begegnungen, über die Reise berichten und ich dabei die gemachten Fotos anschaue, kämpfe ich mit den aufsteigenden Tränen. Ich rieche die Menschen, das Land und sehe alle Details vor mir, die sie mir nicht zu beschreiben brauchen. Natürlich sind alle, wie auch ich, älter geworden. Aber die Unruhen, der Hunger, das harte Leben auf der ständigen Flucht und vielleicht nicht zuletzt auch die Geschichte mit mir haben sie schneller altern lassen. Lketinga ist ein graziöser, älterer »Mzee« geworden. Doch die Narben von seinem Autounfall und wohl auch der frühere Alkoholkonsum haben sein Gesicht gezeichnet. Beim Betrachten der Fotos suche ich fast vergeblich nach meinem »Halbgott« von einst.
Im August löse ich mein Versprechen gegenüber meiner Freundin Anneliese ein und wir fliegen zusammen mit Napirai in einen feudalen Jamaika-Urlaub. Wie in vielen Prospekten dargestellt, residieren wir direkt am blauen Meer mit schönem Palmenstrand. Dennoch ergreift mich persönlich dieses Land nicht. Sicherlich trägt dazu auch bei, dass ich Markus vermisse, mit dem ich erst seit knapp vier Monaten zusammenlebe. Aber automatisch vergleiche ich jedes Mal das Ferienland, in dem ich mich gerade befinde, mit Kenia, und bis jetzt habe ich keines gefunden, das in mir ähnlich starke Eindrücke auslöst. Manchmal frage ich mich, ob ich es heute immer noch so empfinden würde.
Trotzdem bewirkt diese Reise etwas sehr Positives. Ich hatte mir schon zu Hause vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören, da Markus Nichtraucher ist. Den langen Flug wollte ich dazu nutzen, in einem entsprechenden Entwöhnungsbuch zu lesen, damit der Flug besser auszuhalten ist. Schon die ersten Seiten zeigen eine positive Wirkung und ich verspüre keinerlei Lust auf Zigaretten, während Anneliese leidet. Ich weiß, es ist furchtbar, wenn sich alle Gedanken nur noch um Zigaretten drehen. Kaum gelandet zündet sich meine Freundin einen Glimmstengel an, als auch schon ein bewaffneter Polizist neben uns steht und sie anfaucht: »No smoking at the airport!« Nach über 20 Stunden, in denen sie nicht rauchen konnte, löscht sie entnervt die Zigarette. Mir macht es seltsamerweise immer noch nichts aus. Was da in meinem Kopf klick gemacht hat, ist mir nicht ganz klar, aber das Buch
Weitere Kostenlose Bücher