Zurück im etwas anderen Tunesien
irgendwie hat dieses Kleid etwas Magisches. Ok, es ist eh der letzte Versuch vor dem Modell Kartoffelsack. Ich schlüpfe in die beiden Teile und bin begeistert. Hätte nie gedacht, dass mir Lila steht und ein bisschen was von einer Prinzessin hat es auch. Gut, es machtaus mir jetzt kein Topmodell und etwas dünner wäre schöner, aber dieses Kleid ist mit Abstand das Beste, was ich in den letzten Tagen anprobiert habe. Sogar Platz zum Fotografieren habe ich damit, denn es ist ärmellos. Rasch werfe ich einen Blick in den Spiegel, damit ich eine kleine Endkontrolle vornehmen kann.
Jackpott ! Wie kann man einen Spiegel nur so hoch hängen, dass man fast nichts drin sieht?
Wenigstens helfen sie mir jetzt alle auf das Sofa zu klettern, damit ich wenigstens kurz einen Blick erhaschen kann. Auch das noch, ärmellos bedeutet in meinem Fall Streifenhörnchenoptik, das hatte ich nicht bedacht! Bis zum T-Shirt-Rand ist meine Haut braun und danach Milchkäseweiß. Ei, ei, ei, da muss ich aber in den nächsten Tagen eine Sonderschicht auf der Dachterrasse einlegen, um dort mit einem Top, ein wenig nachzubräunen.
Ok, das nehme ich, bitte sofort reservieren und anzahlen! Mein Beautyteam hebt auch den Daumen hoch, um mir zu signalisieren, dass ich eine gute Entscheidung getroffen habe. Und 25 Dinare fürs Ausleihen sind mal nicht kebira, sondern ein absoluter Schnäppchenpreis. Beim Verlassen des Ladens fragt Leila mich, ob ich auch wirklich zu frieden bin, oder ob ich nicht doch noch woanders schauen möchte.
„Le, le, le, nein, nein, nein!“ Mission Kleidersuche ist für mich hiermit endgültig beendet!
Mit meinem Beautyteam kehre ich zurück nach Hause und Leila verabschiedet sich direkt an der Haustür, weil sie noch viel zu tun hat und direkt weiter muss. Im Namen ihrer Schwester und ihrer Familie soll sie Hochzeitseinladungen überbringen.
Wie überbringen? Man kann die Karten doch ganz einfach mit der Post verschicken?
Leila lacht und zeigt mir eine Liste, bei der ich vermute, dass es ein Auszug aus dem Einwohnermelderegister des Dorfes ist. So kebira ist dieses Papier mit unzähligen Namen darauf.
„Da muss ich überall hin, das sind alles Freunde, Verwandte und Bekannte, die alle zur Hochzeit kommen sollen!“ .
Oh mein Gott, das arme Mädchen, wenn sie da überall hin muss, dann befürchte ich, dass sie erst eine Woche nach der Hochzeit damit fertig wird, all diese Personen einzuladen. Ich wünsche ihr viel Erfolg und schon eilt sie davon.
Im Flur werde ich direkt abgefangen, und die Tanten versuchen mir etwas zum Essen aufzuschwatzen. Oh nein, bitte, bitte jetzt nichts essen. Ich bin einfach nur müde und möchte meine Ruhe. Ohne weitere Nachfragen lassen sie mich wirklich ins Wohnzimmer ziehen, und auf dem Sofa falle ich in meinem wohlverdienten Mittagsschlafen und träume von kebira Kleidern und viel zu kleinen Schläppchen.
Irgendwo rumpelt es und ich wache relativ schnell wieder aus meinem Halbschlaf auf. Vielleicht sollte ich lieber auf die Dachterrasse gehen und etwas gegen meine Streifenhörnchenoptik unternehmen. Schwungvoll werfe ich meine Beine vom Sofa und schlage direkt mit ihnen an einem Tisch an.
„AUA!“ Wo kommt denn der Tisch her?
Da ich vor meinem Nickerchen das Essen meiner lieben Familie verweigert hatte, haben sie mir nun einen Tisch direkt ans Sofa geschoben und darauf thronen zwei große Teller mit Melonen und Trauben. Kebira, kebira, hier ist ja langsam alles kebira! Das reicht mal wieder locker für zehn Personen, aber wie ich meine Tanten kenne, ist dies alles ganz allein nur für mich. Der Tisch ist auch so schwer, dass ich ihn mit nur einer Hand gar nicht zur Seite schieben kann. Na prima, gefangen im Wohnzimmer und sie lassen mich bestimmt erst frei, wenn ich die Melonen aufgegessen habe. Also gut, ich esse Stück für Stück und der Teller scheint sich nicht zu leeren, als ob eine unsichtbare Hand ihn immer wieder auffüllt. Ich muss lachen, denn jetzt fällt mir auch wieder ein, dass eine Cousine von meinem Mann mich immer wieder nach Abnehmtipps fragt. Sie ist eine der wenigen hier, die etwas rundlicher ist. Irgendwann hab ich mal gesagt, dass Melonen doch gar nicht schlecht wären, da sie ja auch entwässern. Seitdem kommt sie immer wieder zu mir und fragt mich, ob Melonen nicht doch dick machen, da sie das irgendwo mal gehört hatte.
Melonen dick machen? Melonen sind kebira, aber machen doch eigentlich nicht kebira, oder bin ich da jetzt falsch informiert?
Gut,
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