Zurück im etwas anderen Tunesien
Danach folgt wieder das Schweigen und Sitzen im Wald, bis sie urplötzlich wieder im Wohnzimmer verschwindet und die Tür hinter ihr verschlossen wird. Muss man das jetzt verstehen?
Ah, jetzt verstehe ich es, sie trägt kein Kopftuch und von draußen hört man schon die Musikgruppe, die gleich hier eintreffen wird. Der Bräutigam betritt mit seinen Freunden den Raum, begleitet von einigen Trommlern und einem Flötenspieler. Sie spielen ein paar Lieder und die Gäste fangen an zu tanzen. Der Haupttrommler trommelt um sein Leben und der alte Flötenspieler bläst so heftig in seine Flöte, dass man denkt, seine Backen platzen gleich oder dass er in den nächsten Sekunden einfach abhebt. Und noch ein Lied und noch ein Lied, bis die Männer irgendwann zur Terrasse geschoben werden, wo sie nun UFOs mit Soße essen dürfen. Oh was ist das denn? Die Minigetränketetrapäckchen scheinen leer zu sein, es werden ganz normale kleine Getränkeflaschen mit Cola, Boga und Schweppes gereicht. Oder ist das einfach nur das Privileg der engsten Familie? Wie gut, dass ich anscheinend nun dazugehöre. Die Braut kommt auch zurück und nimmt nun auf einem Stühlchen am anderen Ende des Saales platz. Man merkt ihr den Hochzeitsstress inzwischen an und einige Male scheint es, alswürde sie übermüdet einnicken. Wie es sich aber für eine moderne Braut gehört, wird sie zwischendurch immer wieder von ihrem Handy aufgeweckt, wo sie den einen oder anderen nachträglichen Glückwunsch noch entgegen nimmt. So sind sie halt die modernen und mobilen Bräute.
Ein Schrank von einem Mann baut sich vor mir auf und spricht mich auf Englisch an. Ich schrecke kurz zusammen, erkenne aber in ihm den Vater der Braut. Mein Mann hatte ihm erzählt, dass ich so gut kochen kann und eine Webseite mit tunesischen Rezepten aufgebaut habe. Diese hatte er sich wohl in den letzten Tagen einmal angeschaut und erzählt nun der versammelten, engsten Familie, was er da alles entdeckt hat.
Na da staunt ihr alle, das hättet ihr mir bestimmt nicht zugetraut! Ich blicke in verblüffte Gesichter und der Brautvater hat es nun geschafft, dass ICH die Aufmerksamkeit der GANZEN Verwandtschaft erhalte und die Braut irgendwo am Rand sitzt und vor sich hin schlummert!
Jetzt reicht es aber endgültig für heute und ich bin froh, als wir uns auf den Heimweg machen, der dieses Mal wirklich nur 5 Meter ums Eck ist. Jetzt nur noch entspannt auf dem Sofa liegen und nichts mehr machen oder essen! Es hält genau eine Stunde, bis mein Mann auf die Idee kommt, mit mir spazieren zu gehen?
Wie spazieren? Das macht er sonst nie, hat er etwa von den UFOs gegessen? Es scheint so und so endet dieser Abend für mich erst um weit nach 22 Uhr mit einem kleinen Spaziergang 5 x 5 x 5 x 5 Meter um den Block!
Kebira, Kebira (Schläppchen, Kleider und Melonen)
Wer jetzt denkt mein gestriger Abend wäre wirklich schon nach dem Spaziergang mit meinem Mann vorbei gewesen, der irrt sich wie so oft gewaltig. Fast um Mitternacht schaute meine lovely Leila noch einmal vorbei und hatte eine Überraschung für mich im Gepäck. Eine große geheimnisvolle Tüte. Kebira, kebira! Für die Hochzeit in der nächsten Woche befinden wir uns noch immer auf der Kleidersuche und die Familie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass ich einen roten Sari tragen soll. Vorab hatte mir Leila schon ein Dutzend Fotos von ihrem blauen Sari gemailt, den sie anziehen würde. Dem kleinen dünnen Prinzessböhnchen Leila steht der auch ausgezeichnet und sie sieht darin aus wie eine griechische Göttin, aber ich werde vermutlich darin eher einer kebira Prinzessbohne im Speckmantel gleichen. Nur will das die Familie partout nicht glauben.
Nun ja, es gibt also diesen roten Sari, den man in einem Kleiderverleih leihen kann, der aber so begehrt ist, dass er fast immer verliehen ist. Für gestern Mittag hatte Leila ihn dann extra reservieren lassen und ich sollte ihn auf dem Weg zu Noura anprobieren. Da er zu der vereinbarten Zeit aber noch nicht zurückgebracht worden war, hatte sich das in dem Moment erledigt. Es war der Ladeninhaberin etwas peinlich gewesen und so hatte sie spät abends den Sari noch zu Leila nach Hause gebracht. Für den nächsten Tag war er allerdings schon wieder reserviert, daher musste Leila noch schnell in der Nacht zur Anprobe vorbeikommen. Sie packte dieses riesige Päckchen aus und hervor kam ein wunderschöner Stoff in Bordeauxrot mit goldenem Muster. Ich musste zugeben, dass er gar nicht mal so schlecht
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