Zurück im etwas anderen Tunesien
irgendwann geht die Tür wieder auf und ein Suchtrupp, der mich in der Scheune vermisst hat, kommt herein. Sie fragen, wieso ich gegangen wäre, was denn los sei und wann ich wieder zurückkommen würde. Langsam versuche ich zu erklären, dass es mir nicht gut geht und ich lieber ins Bett gehen möchte. Irgendwie verstehen sie mich nicht und bestehen darauf, dass ich mit ihnen zurückgehe, weil gleich auch noch Gruppenfotos gemacht werden sollen und darauf dürfte ich auf keinen Fall fehlen. Na gut, mehr als nicht mehr hören geht sowieso nicht, also kann mir nichts mehr Schlimmes passieren.
Sie schleifen mich zurück zur Scheune, die inzwischen fast leergefegt ist. Man könnte jetzt vermuten, dass es vielleicht noch ein paar anderen Gästen ein wenig zu laut war. Ich frage, warum man denn die Musik nicht einfach ein wenig leiser stellen könnte, aber darauf bekomme ich nur die Antwort, dass das immer so sein würde. Sehr logisch!
Die Braut führt inzwischen eine Polonaise an und ich greife schnell zum Iphone, damit ich nicht auch noch durch den Staub robben muss. Ein Arm packt mich und will mich trotzdem mit in die Polonaise zerren.
„Huhu, kennste mich?“
Im ersten Moment kann ich sie so aufgestylt nicht erkennen, aber dann sehe ich die Harkoustattoos und das Frisöschen ist enttarnt. Sie will unbedingt mit mir tanzen, aber darauf lasse ich mich bei aller Liebe nicht ein. Wenn ich jetzt noch tanze, dann falle ich bestimmt gleich um. Im Prinzip ist jetzt nur noch die engste Familie da und nach der Staubflocken-Polonaise geht Noura mit Safia von Stuhl zu Stuhl und macht mit den Gästen Einzel- oder Gruppenfotos. Neben der Braut bin auch ich ein sehr beliebtes Motiv und werde immer wieder von einem Gruppenfoto zum nächsten durchgereicht.
Es geht auf Mitternacht zu, als endlich alle Fotos im Kasten sind. Doch die Veranstaltung ist noch immer nicht zu Ende. Jetzt werden ein paar Kästchen geöffnet und die Braut wird wieder über und über mit Goldschmuck behangen. Aus einem weiteren Kästchen holt jemand Kerzen und verteilt diese an die Gäste. Sie zünden sie an und stellen sich neben der Braut zu einem großen Gruppenfoto auf. Es hat irgendeinen Sinn und eine Bedeutung, was mir aber im Moment niemand erklärt. Jedenfalls singen sie einige Lieder und stellen sich immer wieder in anderen Konstellationen auf.
Ich bin müde, packe meine sieben Sachen zusammen und gehe zurück zum Brauthaus, um meinen Mann zu suchen. Ah ja, hier sind die geflohenen Gäste geblieben. Sie sitzen vor und im Haus und widmen sich ihrer Lieblingsbeschäftigung dem Essen. Was sonst! Ich setze mich schnell alleine auf einen freien Stuhl, damit mir niemand wieder einen zuschieben muss, und möchte einfach durchschnaufen.
Denkste! Ich habe es gewagt mich auf einen stinknormalen 08/15 Plastikstuhl zu setzen und das geht für meine lieben Tanten gar nicht. Schnell organisieren sie mir einen Upgradestuhl mit Überzug, ziehen mir den 08/15 Stuhl unter meinem Popo weg und tauschen ihn aus. Ihr habt ja gewonnen, aber lasst mich jetzt bitte einfach nur sitzen.
Sitzen darf ich, aber ich soll bitte noch schnell ein paar Fotos von der Braut machen, die gerade von der Scheune zurückkehrt. Da es immer noch dunkel ist, betätigte ich den Blitz und habe so daswitzigste Bild des Abends geschossen. Jeder der Gäste auf dem Foto hat rote Augen wie ein Vampir und durch den Blitz sind die Müllberge so genial angestrahlt, dass das Foto eine gewisse Komik hat. Tja, gelernt ist gelernt, ich komme eben von Braut-TV. Aber Braut-TV hat jetzt Sendeschluss!
In Leilas Zimmer ziehe ich mich rasch um und gehe in meinen Bummelklamotten zurück nach draußen. Rechtzeitig, um mir noch eine tunesische Zaubershow anzuschauen.
Der Bräutigam kommt aus einem Nachbarort und dementsprechend waren viele Gäste mit Fahrzeugen angereist. Jetzt möchten alle wieder nach Hause und warten vor dem Haus auf ihren Sammelkonvoi. Ich schätze mal, dass es ungefähr fünfzig bis sechzig Personen sind. Scheinwerfer blitzen auf und die Wagenparade fährt vor. Ein Kleintransporter mit Ladefläche, ein VW-Caddy, ein Mercedes und ein kleiner, schnuckeliger Fiesta. Wenn es hochkommt, stehen in diesen Fahrzeugen fünfzehn normale Sitzplätze zur Verfügung, inklusive Fahrer natürlich. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu ahnen, was jetzt gleich passiert. Die wartenden Gäste versuchen sich auf die vier Fahrzeuge aufzuteilen. Wobei Mercedes und Fiesta mit jeweils acht bis zehn Personen
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