Zurück in deine Arme
sicher war, dass Leila sich durch seine Anwesenheit nicht gestört oder belästigt fühlte.
Doch dafür war sie viel zu professionell, wie er wieder einmal voller Stolz feststellte. Sobald sich die Kameras auf sie richteten, schien sie Nerven aus Stahl und hypersensible Sensoren zu haben, die jedes Detail und jede Schwingung, die in der Luft lag, aufnahmen und in Bild und Pose umsetzten, ohne dass jemand etwas anordnete.
Es tat ihm auch gut zu sehen, mit wie viel Respekt sie von allen Seiten behandelt wurde. Kein Wunder, dass seine Frau so an ihrer Arbeit hing.
Mit einem unterdrückten Fluch wandte er sich ab und durchquerte die riesige Eingangshalle des Châteaus mit langen Schritten. Das antike Gemäuer rief unwillkommene Erinnerungen an Wolfe Manor mit seiner imposanten Fassade und der prachtvollen Gartenanlage in ihm wach.
Doch anders als der Familienstammsitz, in dem seine Halbgeschwister aufgewachsen waren und der im Laufe der Jahre zur Ruine verkommen war, befand sich dieses Anwesen in einem exzellenten Zustand. Angefangen vom mosaikverzierten Marmorboden in der Halle bis zu der y-förmigen Freitreppe aus poliertem Mahagoni, die in den ersten Stock hinaufführte.
Ungeachtet allen Prunks fühlte sich Rafael seltsam bedrückt, so wie vor vielen Jahren, als er immer wieder heimlich über die Mauer hinweg in den Garten und zum Herrenhaus hinüberlugt hatte, wo die anderen Wolfe-Kinder lebten.
Wie oft hatte er davon geträumt, dorthin eingeladen zu werden, um mit ihnen zu spielen und ein Teil der Familie zu sein. Doch sein Vater versagte ihm dieses Recht. Das Stigma des Bastards brannte sich tief in Rafaels Herz und Seele ein, auch wenn seine beiden ältesten Brüder noch vor Williams Tod den Mut aufbrachten, ihn in ihrem Kreis und Heim willkommen zu heißen.
Trotzdem blieb er der Außenseiter, der in sein spartanisches Heim zurückkehren musste, wenn es Abend wurde. Nie durfte er erfahren, wie es war, mit Geschwistern zusammenzuleben, selbst wenn das bedeutete, Tag und Nacht der Willkür ihres despotischen Erzeugers ausgeliefert zu sein. Stattdessen fühlte er sich wie ein Anhängsel von Jacobs und Lucas’ Gnaden. Akzeptiert aber nicht dazugehörig.
Was Rafael zutiefst bedrückte, war, dass ihn momentan die gleichen Gefühle bewegten, wenn er an Leila dachte.
Während er sie aus dem Hintergrund bei ihrer Arbeit beobachtete, verspürte er das brennende Verlangen, jede Sekunde jedes einzelnen Tages mit ihr zu verbringen. Sie nie wieder aus den Augen und seinen Armen zu lassen … ihre Kinder aufwachsen zu sehen, mit ihr alt zu werden, im Kreis ihrer eigenen Familie. Einfach ein zufriedenes, erfülltes Leben zu führen.
Doch das vergangene Jahr hatte sie beide verändert. Leila hatte sich verändert …
Es war etwas Fremdes an ihr, etwas, das er nicht benennen und fassen konnte. Ein gewisser Blick in ihren Augen, der um Vergebung zu flehen schien. Aber wofür? Allein die Möglichkeiten zu erwägen, verursachte ihm Übelkeit. War er vielleicht zu abgelenkt von seiner Jagd nach Erfolg gewesen, um zu beweisen, dass sein ältester Bruder Jacob nicht aufs falsche Pferd gesetzt hatte, als er ihm das Geld für seinen Karrierestart gegeben hatte?
Hatte er Leila an ihren Model-Job verloren? Oder an einen anderen Mann?
Nein, er konnte und wollte nicht glauben, dass seine Frau ihn betrog. Sie war nur noch nicht bereit, ihre Karriere gegen die Rolle einer Mutter zu tauschen. Es musste ihm gelingen, sie davon zu überzeugen, dass sie dadurch nicht wirklich etwas aufgab, sondern im Gegenteil etwas sehr viel Größeres, Erfüllenderes gewinnen würde.
Seinen Sinn ganz auf diese große Aufgabe gerichtet, kehrte Rafael von seinem Rundgang ans Foto-Set zurück. Das war inzwischen in einen sonnenbeschienenen Innenhof des Châteaus umgezogen. Leila trat gerade aus dem Baldachinzelt, das ihr als Umkleidekabine diente. Angesichts ihrer atemberaubenden Erscheinung stockte ihm der Atem.
Offensichtlich ging es um eine antike Kostümszene. Wie ein goldener Kelch umschloss eine feste Korsage den zarten Oberkörper. Zwei blassgoldene Bänder kreuzten sich über ihrer Brust und fanden in ihrem schlanken Nacken wieder zueinander, während sich von der schmalen Taille abwärts ein wahrer Wasserfall an schimmerndem Gewebe bis auf die antiken Steinfliesen ergoss.
Das leise Geplauder der Crewmitglieder verebbte, während sich alle Blicke auf Leila richteten. Doch anstatt an den ihr zugewiesenen Platz zu gehen, kam sie direkt auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher