Zurück in deine Arme
Hunger in ihr erwachte. „Ausnahmsweise nichts. Hast du etwas Besonderes im Sinn?“
„Dich, Querida .“ Rafael beugte sich vor und streifte ihre Schläfe flüchtig mit den Lippen. „Nur dich … meu Coração “, murmelte er heiser und zog das Laken mit einem Ruck zur Seite. Noch bevor es auf den Boden fiel, lag Leila in seinen Armen. Und dort verbrachte sie den Rest des Tages.
Im Bett, auf dem Sofa, draußen auf der Terrasse, unter der Dusche. Sie teilten sich ein leichtes Frühstück mit duftenden Croissants und frischem Obst, lachten und scherzten, bis die Sonne unterging und helle Sterne am kobaltblauen Himmel funkelten. Es war weit nach Mitternacht, als Leila schließlich zu Tode erschöpft in einen unruhigen Schlummer fiel, obwohl sie sich tapfer dagegen wehrte, da es ihre vorletzte gemeinsame Nacht war.
Die nagende Angst, was danach mit ihnen sein würde, begleitete sie bis in ihre Träume.
Den Weg durch die elegante Hotelhalle in Richtung Fahrstuhl legte Leila wie auf einem weichen Wolkenteppich zurück.
Heute Abend hatte das Festival sein glanzvolles Ende in der spannenden Verleihung der Filmpreise gefunden. Rafaels Stolz auf Nathaniel, der einen Award für seine Regiearbeit in Carnival erhalten hatte, war nicht zu übersehen gewesen. Die mutige und schonungslos ehrliche Dokumentation über das Leben in den Elendsvierteln von Rio war der erste Independent-Film aus der frisch gegründeten Produktionsfirma der Brüder.
Trotzdem lehnte Rafael jedes Lob kategorisch und fast verlegen mit dem Hinweis ab, er wäre nur Geldgeber gewesen, während Nathaniel die Arbeit gemacht habe.
Leila kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass er damit untertrieb. Sie kannte das von Armut und Gewalt geprägte Leben in den Favelas aus erster Hand und fühlte sich von dem herzergreifenden Film tief berührt. Dass es Rafael nicht anders erging, sah sie an seiner steinernen Miene, als das Licht im Kino wieder aufflammte. Doch der Eindruck dauerte nur eine Sekunde, dann wirkte er wieder völlig beherrscht und gelassen.
Aber als sich dann auch noch Nathaniel und seine Frau mit einer Entschuldigung aus dem Trubel zurückzogen, obwohl sie eigentlich zu viert zum Dinner verabredet waren, ahnte Leila, dass dieser Film für beide Brüder eine viel tiefere Bedeutung haben musste, als sie es zugaben.
Der Gedanke beunruhigte sie und weckte gleichzeitig ihre Neugier. Rafael hatte es immer vermieden, ihr Details aus seiner Kindheit zu erzählen. Selbst wenn sie nachhakte, hielt er sich ziemlich bedeckt. Und heute Abend war ganz sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um dieses brisante Thema erneut anzuschneiden.
Dass Rafael sämtliche Einladungen zu den Abschluss-Partys absagte, die auf riesigen Luxusjachten und in angesagten Bars entlang von La Croisette stattfanden, freute Leila unbändig. Innerlich hatte sie den ganzen Tag über darauf gehofft, es aber nicht gewagt, ihren Wunsch laut zu äußern. Wonach sie sich jetzt sehnte, war eine weitere Nacht – die letzte hier in Cannes – in Rafaels Armen.
Ihre einzige Angst war, dass er das Thema eigene Familie erneut anschneiden würde. Sie war einfach noch nicht wieder bereit dazu. Im schlimmsten Fall könnte es das Ende ihrer Ehe bedeuten – und das würde sie vernichten.
Leila warf ihrem Gatten einen versteckten Seitenblick zu und atmete scharf ein. Seine Miene wirkte grimmig und seltsam düster, die feinen Linien um Mund und Nase erschienen ihr plötzlich tiefer und härter. Dachte er vielleicht auch gerade daran, dass ihr Ehe-Idyll der letzten vierundzwanzig Stunden womöglich nicht von Dauer sein würde?
Jetzt, da ihre gemeinsame Zeit fast vorüber war, erschien sie Leila plötzlich so unendlich kostbar, dass sich ihr Herz bei der Vorstellung zusammenkrampfte, sich bereits in wenigen Stunden wieder von Rafael trennen zu müssen.
Mit zitternden Fingern löste sie den eleganten Seidenschal von ihrem Hals, als schnürte er ihr die Luft ab und fingerte nervös daran herum. „Wie sehen eigentlich deine exakten Pläne nach dem Festival aus?“, fragte sie im Lift und hoffte wider besseres Wissen auf ein Wunder, das ihre Zweisamkeit wenigstens noch für eine kleine Weile verlängerte.
„Ich habe wichtige Sachen in Brasilien zu erledigen“, kam es knapp zurück.
Erst als die Tür zur Suite hinter ihnen geschlossen war, wagte Leila den nächsten Vorstoß. „Weitere Probleme mit deinem neuen Handy?“
„Nein, das ist längst erledigt.“ Ungeduldig streifte Rafael die
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