Zurueck in die Nacht
in meinem Kopf.
Plötzlich bildet
sich vor mir ein Wirbel. Das Wasser beginnt, sich zu verformen. Eine Gestalt
taucht aus der Tiefe auf und nimmt vor mir Form an. Und dann leuchten mir die
meerblauen Augen meiner Mutter entgegen und sie ergreift meine Hand.
Ich weiß nicht,
wie ich aus dem Wasser komme. Ich sitze am Strand, tropfnass, zitternd. Es ist
dunkel. Aber mir ist nicht kalt. Ich fühle mich warm und geborgen, denn neben
mir sitzt meine Mutter, Claire, und hält meine Hand, als wollte sie sie nie
wieder loslassen. Irgendwie muss sie mich hierher gelotst haben. Jedenfalls ist
das Fischerboot nirgends zu sehen. Mir ist es egal. Sollen sie doch glauben,
dass ich ertrunken bin. Mir ist alles egal. Außer der unglaublichen Tatsache:
Dass ich sie gefunden habe. Und dass sie jetzt bei mir ist. Freiwillig. Wir
reden nicht. Wir denken nicht. Wir sitzen nur nebeneinander.
Clarissa
Es war eine
lange Verfolgungsjagd. Arik hat uns nicht bemerkt. Er glaubt immer noch, dass
er uns abgehängt hat.
Als er sich mit
seinem Motorrad ins Meer stürzte, war ich enttäuscht. Ich wollte hinterher, ihm
meine Empörung ins Gesicht schreien. Was er mit mir gemacht hat. Dass er kein
Recht hat, sich einfach der Gerechtigkeit zu entziehen. Doch Jay ließ sich
nicht täuschen. Wir beobachteten die Klippen und sahen ihn wieder auftauchen.
Nass, aber unversehrt. Mich durchströmte Erleichterung. Es würde doch noch eine
Begegnung zwischen uns geben.
Wir folgten ihm
weiter, bis er schließlich mit einem Fischerboot ablegte. Ich erkannte es
wieder und wusste, wo wir ihn finden würden. Doch ich durchschaute nicht, was
er dort wollte. Das erkenne ich erst, als ich ihn plötzlich am Strand wieder
auftauchen sehe. Und nicht allein. In diesem Moment erkenne ich auch seine Begleiterin.
Ich habe sie schon zweimal gesehen, in meiner Erinnerung. Einmal auf einem Bild
im Zimmer von Mikes Vater. Das Mädchen im Nebel. Und einmal im Meer, als sie
mir ihre Hände reichte und mich vor dem Ertrinken rettete. Nachdem die Wächter
mich ins Wasser geworfen hatten.
Sie sitzen nur
da, Arik und Claire. Ihr Anblick macht mich unruhig. Sie strahlen etwas aus,
das mich bis ins tiefste Innere berührt. Und ich habe das Gefühl, wenn wir sie
nicht jetzt sofort ergreifen, werden wir es nie tun. Auch Jay scheint es zu
spüren. Er berührt meine Hand und sieht mich kurz an. Ich nicke. Er nickt
zurück. Dann schließt er kurz die Augen und sendet das vereinbarte Signal aus.
Arik
Ich spüre sie
einen Herzschlag, bevor ich sie sehe, und auch Claire zuckt zusammen, doch sie
lässt meine Hand nicht los. Es ist sowieso schon zu spät. Sie kommen von drei
Seiten. Auf der vierten ist das Meer. Wächter. Sechs von ihnen, jeweils zu
zweit. Sie müssen uns für sehr gefährlich halten, dass es so viele sind. Ich
kann die Energie fühlen, die von ihnen ausgeht. Aber sehen kann ich sie nur
undeutlich. Nicht nur, weil es so dunkel ist. Es scheint fast so, als wären sie
von einer Art Schleier umgeben. Doch dann erkenne ich, dass das nicht stimmt.
Nicht sieumgibt dieser Schleier, sondern uns. Claire und mich. Als sie
näher kommen, bemerke ich, dass sie ihre Arme ausgestreckt haben, mit den
Fingerspitzen in unsere Richtung. Und mir fällt meine letzte Nacht bei Clarissa
wieder ein. Wie die Wächter den Feuerstrahl zu ihr hoch geschickt haben. Ich
wusste nicht, dass sie das können, aber warum eigentlich nicht? Wer die Zeit
beherrscht und Gedanken lesen kann, warum sollte der nicht noch andere
Fähigkeiten haben? Nicht-menschliche Fähigkeiten? Schließlich sind sie ja keine
Menschen. Und auch die von ihnen, die mal Menschen waren – wie Patti – sind als
Wächter viel mehr.
Ich mache all
diese Überlegungen seltsam unbeteiligt, während ich interessiert beobachte, wie
sich der Kreis um uns immer mehr schließt. Claire an meiner Hand zittert,
bewegt sich aber keinen Millimeter. Ich dagegen fühle gar nichts. Und ich
denke, dass auch das wahrscheinlich ihr Werk ist. Der Schleier, der uns
umhüllt, scheint immer dichter zu werden, und ich bemerke ihn auch in meinem
Kopf. Dann spüre ich gar nichts mehr. Nur kurz, bevor ich umkippe, blitzt
plötzlich Clarissas Gesicht vor mir auf. Dann bin ich weg.
Kälte. Das ist
das erste, was ich fühle, als ich wieder zu mir komme. Ich bin eiskalt. Wie
eingefroren. Und ich kann mich nicht bewegen. Nicht ein winziges bisschen. Als
wäre ich wirklich gefroren. Es ist tiefschwarz um mich herum und erst nach
einer
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