Zurueck in die Nacht
die
Hand vor den Mund.
Jay lächelt
liebevoll. „Müde? Das ist normal. Du hast eben eine ganze Menge Energie
verbraucht.“ Er erhebt sich und zieht mich mit sich hoch. „Komm, lass uns
aufbrechen. Wenn wir erst zu Hause sind, kannst du dich ausruhen.“
Während ich
hinter ihm her über den Strand zu den Klippen stolpere, an denen wir unser
Motorrad abgestellt haben, denke ich darüber nach, wie gut das klingt. Zu
Hause. Und gleichzeitig wie seltsam, wenn ich keine Ahnung habe, was er
damit meint. Ich habe keine Ahnung, wo dieses ominöse Hauptquartier, die Heimat
der Wächter, liegt. Und es fühlt sich gleichzeitig wirklich gut und seltsam
schlecht an, jetzt dazuzugehören. Gut, weil ich noch nie irgendwo so richtig dazugehört
habe. Und weil ich mir sicher bin, dass es auf der ganzen Welt keine Gruppe
gibt, zu der ich lieber gehören würde. Und schlecht, weil es sich trotzdem wie
Verrat anfühlt. Auch wenn ich nicht verstehe, an wem.
Verrat
Mike
Ungläubig
verfolge ich das Geschehen am Strand, und an den Lauten, die Patti und Raphael
neben mir ausstoßen, merke ich, dass sie genau so entsetzt sind wie ich.
Raphael stöhnt, als ob es ihm ans Leben geht, und ich kann ihn nur zu gut
verstehen. Gerade noch sah er vollkommen gelähmt vor freudigem Schreck, wie
plötzlich seine große Liebe und sein verlorener Sohn wie eine Fata Morgana dem
Meer entstiegen, und im nächsten Augenblick muss er hilflos mit ansehen, wie
sie von einer Übermacht tödlich aussehender Wächter gefangen genommen werden.
Nur mit Mühe kann ich ihn davon abhalten, sich umgehend zum Strand hinunter zu
stürzen, was mir umso schwerer fällt, als ich am liebsten dasselbe tun würde. Alles
in mir drängt mich, aufzuspringen und loszuschreien. Doch gegen sechs Wächter
haben wir keine Chance. Das ist mir klar. Und so stelle ich mir nur immer und
immer wieder dieselben Fragen: Was macht Clarissa da? Warum ist sie eine von ihnen ?
Was ist nur mit ihr geschehen?
Schon seit dem
Moment, als ich merkte, dass Clarissa neuerdings durch die Zeit gehen kann,
wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte, und mein schlechtes Gefühl verstärkte
sich, als ich sah, dass sie sich nicht etwa mit Arik, sondern mit einem mir
völlig unbekannten Jungen traf. Verwirrt beobachtete ich, wie sie ihrerseits
Arik beobachteten, und als ich die fremden Wächter sah und was sie konnten,
machte sich erste Panik breit. Wir folgten Clarissa und ihrem Begleiter bis
nach Schottland, bis an diesen Strand, von dem ich gehofft hatte, dass ich ihn
niemals wiedersehen müsste. Doch was ich jetzt vor mir sehe, ist noch viel
schlimmer als all meine Erinnerungen.
Als die vier
anderen Wächter mit ihren Gefangenen aufbrechen, will Raphael sofort hinter
ihnen her. Aber ich halte ihn zurück. „Warte.“
„Worauf? Wir
verlieren sie!“ Ich höre die Panik in seiner Stimme, und ein Teil von mir gibt
ihm Recht. Aber ein anderer Teil hält mich zurück.
„Nein. Vier
Wächtern zu folgen, ist viel zu gefährlich. Die würden uns mit Sicherheit
bemerken. Wir sollten uns lieber an Clarissa halten. Ich bin mir sicher, dass
sie uns auch zu Arik führt.“ Zumindest hoffe ich das. Aber einen besseren Plan
habe ich nicht.
Clarissa liegt
scheinbar bewegungslos im Sand, während der Typ neben ihr sitzt. „Ich schleich
mich mal etwas näher ran“, flüstere ich Raphael zu und setze meine Worte in die
Tat um, bevor er protestieren kann. Im Schutz der Dunkelheit gelingt es mir, so
nah an die beiden heran zu kommen, dass ich verstehen kann, was sie sagen. Doch
das, was ich höre, gibt mir endgültig den Rest. Nicht nur, dass Clarissa
tatsächlich eine Wächterin zu sein scheint, nicht nur, dass sie offenbar ganz
bewusst und mit Absicht die Wächter zu ihm geführt hat – sie hat es auch noch
auf uns abgesehen. Auf Raphael und mich.
„Ich verstehe
das nicht. Hast du nicht gesagt, Clarissa liebt Arik? Warum verrät sie ihn
dann?“ Patti klingt genau so verwirrt, wie ich mich fühle. Dabei ist sie noch
am wenigsten betroffen, denn sie kennt Clarissa ja nicht persönlich. Ich dagegen
fühle mich wie gelähmt. Und Raphael schäumt.
„Ich weiß es
nicht. Wirklich. Irgendetwas muss ganz schrecklich schief gelaufen sein. Das
ist nicht die Clarissa, die ich kenne, glaub mir. Sie hat alles für Arik getan.
Wirklich alles . Sie hat nicht geruht, bis sie hinter sein Geheimnis
gekommen ist, und dann hat sie nicht aufgegeben, bis sie ihn gegen jede
Wahrscheinlichkeit gerettet hat. Obwohl ich mir
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