Zurueck in die Nacht
alle Mühe gegeben habe, sie
davon abzuhalten, weil ich nicht glaubte, dass er noch lebt. Sie hat immer an
ihn geglaubt, egal, was andere oder sogar er selbst Schlechtes über ihn gesagt
haben. Es macht einfach überhaupt keinen Sinn, dass sie jetzt zu ihnen gehört. Das hätte die Clarissa, die ich kenne, niemals getan.“
Patti sieht mich
nachdenklich an. „Würdest du eigentlich sagen, dass ich noch die Patti bin, die
du von damals kennst?“
„Du? Nein. Ganz
sicher nicht.“ Darüber muss ich nicht lange nachdenken.
Ein warmer Glanz
tritt in ihre Augen. „Und was hat mich verändert?“
„Die Zeit. Ist
doch logisch. Die Zeit, in der du auch eine von den Wächtern warst, existiert
ja nicht mehr. Also bist du, außer im Traum, Nathanael nie begegnet und so
immer du selbst geblieben. Zum Glück!“
Sie nickt, als
hätte ich eine Vermutung bestätigt. „Ich könnte mir vorstellen, dass es das ist.“ Ich sehe es ihr an, dass sie es genießt, mich noch ein bisschen auf die
Folter zu spannen. Endlich einmal diejenige zu sein, die mehr weiß. Bisher war
ich ja sozusagen unser Experte für Wächter.
Aber mir ist
gerade nicht nach Spielchen. Dafür habe ich nicht die Nerven. „Könntest du
vielleicht aufhören, in Rätseln zu sprechen?“
Sie sieht mich
überlegen an. „Ich glaube, dass der Grund für ihre Veränderung derselbe wie bei
mir ist.“
Da endlich
kapiere ich, was sie meint. „Du meinst die Begegnung mit den Wächtern?“
Sie nickt. „Oder
mit einem Wächter. Da war doch einer bei ihr. Wie hat sie ihn genannt?“
„Jay.“
„Eben. Wenn
dieser Jay so ist wie Nathanael, dann könnte es doch sein, dass sie ihm…“ – sie
zögert etwas, dann fährt sie entschlossen fort – „…dass sie ihm genau so… hörig
ist, wie ich es bei Nathanael war. Hast du ja zumindest behauptet.“
„Hörig
beschreibt es ganz gut“, bestätige ich nickend.
„Also.
Vielleicht suchen sich diese Wächter ja gezielt Menschen aus, die irgendwie in
Verbindung mit demjenigen stehen, den sie suchen, und machen sie dann… hörig.“
Das Wort scheint ihr immer noch schwer zu fallen. „Und der Mensch ist dann
vielleicht einfach nicht mehr er selbst.“
„Klingt
zumindest möglich“, erwidere ich zögernd. „Auch wenn mir nicht ganz klar ist,
in welcher Verbindung du mit Arik gestanden haben sollst.“ Ich sehe sie fragend
an.
Sie wird rot.
„Woher soll ich das wissen? Ich kannte ihn vom Karate, das hast du mir gesagt.
Keine Ahnung, ob…“ Sie bricht ab.
„…da noch mehr
zwischen euch war?“, ergänze ich.
Sie nickt mit
roten Ohren.
„Zumindest hab
ich nichts davon gemerkt“, beruhige ich sie.
Sie wirkt
erleichtert. „Ist ja eigentlich auch nicht so wichtig.“
Da kann ich ihr
nicht so ganz zustimmen. Ich merke, dass mir der Gedanke, dass sie was mit ihm
gehabt haben könnte – wenn auch in einem anderen Leben – mich sogar ziemlich
stört. Aber das behalte ich wohlweislich für mich.
Sie fährt
unterdessen fort: „Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, was wir
jetzt tun können. Oder willst du deine Mutter und deinen Bruder etwa ihrem
Schicksal überlassen?“
„Natürlich
nicht.“ Ich schüttele vehement den Kopf.
„Dann sollten
wir vielleicht lieber darüber nachdenken, wie wir ihnen helfen können. Über
Clarissa kannst du dir hinterher immer noch Gedanken machen.“
Ich stimme ihr
zu. Und bin wieder einmal sehr froh, Patti dabei zu haben. Gerade weil sie
nicht so betroffen ist wie wir anderen, ist sie Gold wert. Sie schafft es,
einen kühlen Kopf zu bewahren, während Raphael und ich so durcheinander sind, dass
wir allein bestimmt keinen klaren Gedanken fassen könnten. Außerdem ist sie
total mutig. Wenn sie sich jetzt noch an ihre Vergangenheit als Wächterin
erinnern könnte… Aber leider kehren ihre Erinnerungen nur sporadisch und
bruchstückhaft zurück. Manchmal träumt sie noch davon, aber nur unklar. Und
Hilfreiches ist selten dabei.
Nachdem ich
Clarissa und ihren neuen Freund am Strand belauscht habe, haben wir, auch wenn
es Raphael und mir schwer fiel, beschlossen, ihnen nicht sofort zu folgen,
sondern uns erst einmal zurückzuziehen und nachzudenken. Pattis Idee. Aber sie
hat uns überzeugt, indem sie darauf hinwies, dass keinem damit gedient sei,
wenn wir in unserer Eile auch noch den Wächtern in die Arme laufen würden. Und
dass wir so viel Zeit hätten, wie wir wollten – wir könnten ja danach
problemlos wieder zu dem Überfall zurückkehren.
Das
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