Zurueck in die Nacht
entgegne ich verwirrt. Immerhin bin ich das beste Beispiel dafür.
„Nur die
Wächter“, erwidert er. „Und nur, um die Menschen zu schützen. Weil es nicht
anders geht.“
„Wieso? Wofür
braucht ihr denn die Menschen?“
„Manchmal kann
es ganz nützlich sein, auch ein paar menschliche Eigenschaften zu haben.“ Er
lächelt schwach. „Ohne dich wäre es zum Beispiel viel schwieriger, wirklich etwas
zu tun . Wir sind von Natur aus nicht sehr… handfest. Keine Materie, nur
reine Energie.“
Das fällt mir
schwer zu glauben, denn schließlich hat er doch schon vor unserem Bündnis in
mein Leben eingegriffen.
„Weil du den
ersten Schritt gemacht hast“, antwortet er auf meine nicht ausgesprochene
Frage. „Dir ist es vielleicht nicht aufgefallen, aber ich konnte immer erst mit
dir sprechen, wenn du mich vorher angesprochen hast. Und gesehen hast du mich
nur, weil du es wolltest. Aber jetzt, wo ich einen Teil von dir in mir habe,
kann ich tun, was ich will. Jetzt bin ich frei!“
Mir kommt ein unangenehmer
Verdacht. Kann es sein, dass er mir von Anfang an gar nicht helfen wollte? Dass
er mich nur ausgenutzt hat? Aber ich spreche meine Gedanken nicht aus, sondern erinnere
mich gerade noch rechtzeitig, dass ich ja eigentlich etwas ganz anderes wissen
will. Er ist wirklich gut darin, mich abzulenken. „Und das Gebot? Woher kommt
das? Oder habt ihr euch das einfach selbst ausgedacht?“
Er zuckt
zusammen, als hätte ich einen wunden Punkt berührt. Ich kann förmlich sehen,
wie er wieder nach einer Ausrede sucht. Aber diesmal lasse ich mich nicht so
einfach abspeisen. „Und lenk mich nicht wieder ab!“ Ich verschränke die Arme
und sehe ihn streng an.
Er seufzt.
„Okay, wenn du es unbedingt wissen willst…“
Ich nicke heftig.
„Wir kommen…
nicht von der Erde.“
Ich sehe ihn
ungläubig an. „Soll das etwa heißen, ihr seid – Aliens ?“
Er verzieht
gequält das Gesicht. „Naja, nicht direkt. Aber vor langer, langer Zeit –
wirklich sehr langer Zeit – ist etwas passiert. Es gab eine Art
Aufstand, da wo wir her kommen. Und zur Strafe wurden wir auf die Erde
verbannt. Wir sollten die Menschen beobachten, um von ihnen zu lernen. Auch
wenn mir und den meisten von uns nach wie vor nicht klar ist, was es
ausgerechnet von den Menschen zu lernen gibt. Sie sind ja nun wirklich nicht
die besten Vorbilder. Wahrscheinlich sind wir deshalb immer noch hier.“ Er
seufzt. „Wie dem auch sei, einige von uns hatten irgendwann keine Lust mehr,
immer nur Zuschauer zu sein. Sie dachten sich, wenn sie schon bei den Menschen
leben müssen, dann könnten sie wenigstens die Vorteile nutzen. Und so gaben sie
sich als Menschen aus und lebten ganz offen unter ihnen. Mit ihnen. Und
kriegten… Kinder.“ Er schaudert. „Die entdeckten schnell ihre besondere Macht.
Herrscher über Zeit und Raum. Du kannst dir vielleicht vorstellen, was dann
passierte. Oder vielleicht auch nicht. Es war schrecklich. Eine Schreckensherrschaft.
Als man in unserer Heimat bemerkte, was wir angerichtet hatten, griff man ein. Es
gab eine große Flut. Alle, die sich mit den Menschen eingelassen hatten, und
ihre Nachkommen wurden vernichtet, und die meisten von uns anderen auch. Sogar
die meisten Menschen. Nur wenige überlebten.
Uns war klar,
dass es so etwas niemals wieder geben durfte. Deshalb gaben wir uns das elfte
Gebot. Du sollst keinen Kontakt mit den Menschen haben. Und wir
gründeten die Wächter. Nicht nur wegen den Menschen, sondern auch wegen uns. Damit
so etwas nie wieder passiert. Denn wir hoffen immer noch, eines Tages
zurückkehren zu dürfen. Auch wenn wir oft das Gefühl haben, dass man uns schon
längst vergessen hat.“ Er schweigt.
Ich weiß absolut
nicht, was ich sagen soll. Diese Geschichte klingt so fantastisch, dass ich
schon fast wieder geneigt bin, sie zu glauben. Denn dass er kein Mensch ist,
ist mir schon lange klar. Und von irgendwo muss er ja gekommen sein.
„Und – wie alt
bist du?“
Er lacht, auch
wenn es nicht besonders fröhlich klingt. „Du würdest wahrscheinlich sagen,
ziemlich alt. Aber eigentlich gibt es so was wie Alter für uns nicht. Genau so
wenig wie Geburt oder Tod.“
Mein Mund steht
offen. „Ihr sterbt nicht?“
„Zumindest nicht
einfach so. Wegen Krankheit oder Alter. Nur, wenn man uns tötet. Und das ist
auch nicht so einfach.“
„Aber… ich…
Nathanael…“
„Nathanael war
ein Wächter. Wächter gehen ein Bündnis mit einem Menschen ein. Dadurch werden
sie
Weitere Kostenlose Bücher