Zurueck in die Nacht
durch“, ist sein nicht sehr hilfreicher Vorschlag. „Scanne
die Umgebung. Vielleicht erwischst du ja jemanden.“
Patti seufzt,
schließt dann aber wieder brav die Augen. Mittlerweile kann ich sie besser
beobachten, da die Sonne inzwischen aufgegangen ist. Sie sieht ziemlich müde
aus.
„Willst du dich
nicht lieber erst mal ausruhen?“
Sie öffnet die
Augen wieder und sieht mich an. „Nein, schon okay. Ausruhen können wir uns
später. Erst mal sollten wir sie finden.“
„Kann ich dir
irgendwie helfen?“
„Ich weiß nicht.
Vielleicht? Die Wächter scheinen ja zu zweit stärker zu sein. Warum nicht auch
wir? Sollen wir es mal zusammen versuchen?“ Sie streckt mir ihre Hand entgegen.
Ich zögere, aber
dann gehe ich zu ihr und lasse mich neben ihr nieder. Als ich ihre Hand
ergreife, durchfährt mich ein schwacher Stromstoß und mein Herz schlägt
schneller. Fühlt sich… angenehm an. „Pass gut auf uns auf, ja?“, fordere ich
Raphael auf. Dann schließe auch ich die Augen.
Die ganze Welt
verschwindet schlagartig, und ich fühle nur noch eins: Pattis Hand in meiner
und sie neben mir. Ein so unglaublich intensives Gefühl hatte ich noch nie. Ich
schnappe nach Luft und merke, wie auch Patti zusammenzuckt. Sie drückt meine
Hand kurz und mich durchströmt Hitze wie eine Welle. So wach war ich auch noch
nie. So lebendig. Und plötzlich höre auch ich etwas. Rauschen. Viele Stimmen. Sie
kommen eindeutig aus der Burg vor uns.
Clarissa
Was hat er
gemeint? Was wollte er mir sagen? Die Fragen kreisen ununterbrochen durch meinen
Kopf und werden immer lauter. Wer ist Jay? Wer bin ich? Was tun wir hier? Woher
kommt er? Und – ist Jay wirklich auch böse? Wie Arik?
Clarissa?
Bist du wach? Ich zucke zusammen. Arik?
Was willst
du?
Darf ich
reinkommen?
Ich atme tief
durch. Nicht Arik.
Ja.
Die Tür öffnet
sich. „Gut geschlafen?“
„Nein.“ Ich
bemühe mich nicht, Jay die heile Fassade zu zeigen. Ich habe es satt. Ich will
endlich wissen, woran ich bin. „Ich kann nicht.“
„Willst du ein
bisschen laufen?“
„Ja.“
Ohne weiter zu
fragen, steuert er den Burghof an. Nicht den kleinen, den ich schon kenne,
sondern den großen, der erst an den Klippen endet. Ich gehe bis an den Rand und
starre dann in den Abgrund zu meinen Füßen. Tief unten brechen sich die Wellen
an tödlich aussehenden Felsen. Wenn die Wächter mich damals hier heruntergestürzt hätten, hätte mich niemand mehr retten können.
„Wer bist du,
Jay? Wer seid ihr? Und was hat Arik getan, was so böse ist?“
Ich sehe ihn an,
aber er weicht meinem Blick aus. „Das habe ich dir doch schon erklärt. Er ist
gefährlich. Jemand, der die Macht hat, durch Zeit und Raum zu gehen, kann alles
zerstören. Jedes Leben vernichten. Kein Mensch kann ihm widerstehen. Wir sind
da, um aufzupassen, dass das nicht geschieht.“
„Und warum
brauchst du mich dazu? Wirklich nur, um ihn zu finden?“
„Nein.“ Er
klingt müde. „Auch das habe ich dir schon erklärt. Du hast einen Wächter
getötet. Wenn du nicht eine von uns geworden wärst, hätten sie dich auch umgebracht.“
„Und?“
„Und? Was meinst
du?“ Endlich erwidert er meinen Blick. Er sieht schockiert aus.
„Was kümmert es
dich, ob ich lebe oder sterbe? Nathanael hat das doch auch nicht gekümmert. Und
Patti. Ich habe ihnen nichts getan, außer mit Arik zusammen zu sein, und
trotzdem hatten sie keine Skrupel, mich umzubringen. Ich wäre fast ertrunken!“
„Ich weiß.“ Er
seufzt und legt seine Hände auf meine Schultern. Ich schüttele sie ab. Er sieht
mich verletzt an, fährt dann aber fort: „Viele von uns sind ziemlich… radikal.
Manchmal glaube ich, sie haben ihr Ziel aus den Augen verloren. Wir sind da,
die Menschen zu schützen. Das ist unsere einzige Chance! Und du brauchtest
meinen Schutz. Ich konnte nicht mit ansehen, dass sie dich töten.“
„Aber bei Arik
und den anderen hast du keine Bedenken.“
„Nein.“ Er
schüttelt den Kopf. „Sie dürfen einfach nicht existieren. Das Gebot ist
eindeutig. Wer dagegen verstößt, muss die Konsequenzen tragen.“
„Was für ein
Gebot?“ Das Wort weckt unangenehme Erinnerungen. Arik wurde schon einmal
getötet wegen diesem Gebot. Und ich musste es schon einmal mit ansehen. Diesmal
will ich wenigstens wissen, warum.
„ Du sollst
keinen Kontakt mit den Menschen haben. Wir müssen sie beobachten und
beschützen, aber Kontakt dürfen wir nicht mit ihnen eingehen.“
„Aber das tut
ihr doch!“,
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