Zurueck in die Nacht
eingenommen werden, und stellt mich ein
paar Wächtern noch einmal persönlich vor. Iridiel, Samuel, Luciana, Clara… Die
Namen rauschen an mir vorbei wie die Gesichter. Ich versuche, eine unbeschwerte
Fassade zu wahren, aber ich fühle mich, als ob ich in einer dichten Nebelwolke
umhergehe. Ich esse und trinke, was Jay mir vorlegt, ich beantworte
automatisch, was ich gefragt werde, aber in meinen Gedanken bin ich weit weg.
In einem dunklen Gewölbe, in dem zwei bewegungslose Gestalten von der Decke hängen.
Und je länger ich dieses Bild vor meinem inneren Auge sehe, desto schrecklicher
finde ich es. Irgendwann habe ich das Gefühl, dass ich es keine Sekunde länger
aushalte, ohne zu schreien. Jay bringt mich kommentarlos zurück in meine
Kammer, als ich ihn darum bitte. Vielleicht denkt er ja, dass ich immer noch
müde bin. Aber das stimmt nur halb. Innerlich bin ich so wach wie noch nie.
Doch mein Körper fühlt sich an wie aus Stein.
Als Jay mich
allein lässt, lasse ich mich auf das schmale Bett fallen, ohne irgendetwas
auszuziehen. Noch nicht einmal meine Stiefel. Dann starre ich mit offenen Augen
an die Decke.
Clarissa?
Seine Stimme ist
fast wie eine Erlösung. Ich antworte nicht, aber ich weiß, dass er da ist.
Clarissa.
Ein dicker Kloß
sitzt in meinem Hals.
Es tut mir
leid, dass ich dich verletzt habe.
Du kannst
mich nicht verletzen.
Es tut mir
trotzdem leid.
Ich brauche
dich nicht. Ich will dich nicht. Ich bin froh, dass sie dich jetzt endlich
haben.
Schweigen. Ein
Teil von mir hofft, dass es endgültig ist. Ein anderer Teil fürchtet es. Und
ich weiß nicht, welcher Teil größer ist.
Du hast kein
Recht, mit mir zu reden. Ich gehöre dir nicht mehr. Ich habe dir nie gehört.
Er schweigt
immer noch.
Plötzlich will
ich, dass er auch den Rest weiß. Ich gehöre jetzt zu ihnen. Du kannst mir
nichts mehr tun. Du kannst niemandem mehr etwas tun. Und ich bin froh, dass es
so ist! Erschöpft schweige ich. Obwohl kein Ton über meine Lippen gekommen
ist, bin ich so atemlos, als hätte ich eine lange Rede gehalten. Ich glaube
nicht, dass ich noch einmal etwas von Arik hören werde. Vielleicht kann ich ja
jetzt endlich schlafen.
Es stimmt.
Ich schrecke aus
einem unruhigen Halbschlaf hoch, der nicht lange gedauert haben kann.
Die Welt ist
besser dran ohne mich. Aber glaube nicht, dass er anders ist.
Was?
Dieser Jay.
Glaube mir, er ist kein bisschen besser als ich.
Ich bin wieder
hellwach. Was weißt du denn schon über Jay? Du kennst ihn doch gar nicht!
Er ist doch
ein Wächter, oder?
Ja und? Längst
sitze ich aufrecht im Bett und balle die Fäuste. Am liebsten würde ich laut
schreien, ihn anschreien, aber in Gedanken ist das schwierig.
Hat er dir
alles über sich erzählt? Über… euch? Du gehörst zu ihnen, hast du gesagt. Dann
hat er doch bestimmt keine Geheimnisse vor dir. Dann weißt du alles über ihn,
oder? Und über dich. Dann weißt du, was er aus dir gemacht hat.
Ich weiß nicht,
ob das eine Frage oder eine Feststellung ist. Ich weiß nur, dass er meinen
wunden Punkt getroffen hat. Ich weiß, was ich wissen muss, blaffe ich
ihn an.
Wirklich? Woher
er gekommen ist? Warum er hier ist? Was er getan hat und tun wird? Das weißt
du?
Ja! In
Gedanken zu lügen ist genau so schwierig wie zu schreien.
Und du
glaubst wirklich, dass er die bessere Wahl ist? Ich glaube dir nicht. Ich
glaube dir ganz und gar nicht.
Die Verbindung
wird so deutlich unterbrochen, als hätte er einen Telefonhörer aufgelegt. Und
ich würde am liebsten sofort wieder seine Nummer wählen, nur um ihn zu fragen,
was er gemeint hat. Was er weiß, was ich nicht weiß. Aber mir ist klar, dass er
mir keine Antwort geben würde. Er will, dass ich meine Antworten selber finde.
Und ich erinnere mich daran, wie schwer es mir immer gefallen ist, ihm etwas
abzuschlagen.
Mike
„Da ist was!“ Pattis
Stimme lässt mich zusammenfahren. Sie hat so lange geschwiegen, dass ich ihre
Anwesenheit schon fast vergessen habe. „Ich höre was!“
„Wirklich?“
Raphael klingt aufgeregt. Er ist die ganze Zeit unruhig auf und ab getigert und
baut sich jetzt vor Patti auf.
„Nicht viel.
Hauptsächlich ein Rauschen, wie beim Autoradio, wenn man mehrere Sender
gleichzeitig hört, aber keinen richtig. Ab und zu ein paar verzerrte Stimmen.“
„Vielleicht
kannst du dein Radio ja besser einstellen?“
Patti sieht
Raphael an, als ob er nicht ganz dicht wäre. „Tolle Idee. Und wie?“
„Probier doch
ein paar Frequenzen
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